Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist ein Steuerpflichtiger bereits dann ein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat, oder muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass er seinen privaten Wohnsitz nicht im Inland hat?
Sachverhalt
S hatte seinen Unternehmenssitz in Österreich und verfügte über eine österreichische USt-IdNr. Er überließ Arbeitnehmer an Unternehmen in Bayern und rechnete seine Leistungen ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis "Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG beim Leistungsempfänger" ab. Nach Ansicht des deutschen Finanzamts lagen die Voraussetzungen für eine Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger nicht vor. Da S seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe, sei er kein "im Ausland ansässiger Unternehmer". Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hält es für zweifelhaft, ob die in § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG getroffene Regelung mit dem EU-Recht übereinstimmt und hat deshalb dem EuGH die aus dem Leitsatz ersichtliche Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hinweis
Nach § 13b Abs. 1, 2 UStG verlagert sich die Steuerschuld für "Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers" auf den Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist. Gem. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer ein Unternehmer, der im Inland weder einen Wohnsitz, einen Sitz, eine Geschäftsleitung noch eine Zweigniederlassung hat.
Die Vorschrift des § 13b UStG beruht auf Art. 21 der 6. EG-RL. Nach dessen Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 schuldet die Umsatzsteuer der steuerpflichtige Empfänger einer bestimmten Dienstleistung, wenn "die Dienstleistung von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird." Der Begriff des "im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen" wird in Art. 21 der 6. EG-RL nicht definiert.
Nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Leistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung sein Wohnort oder üblicher Aufenthaltsort. Danach ist der Ort des privaten Wohnsitzes unerheblich, wenn ein Unternehmenssitz vorhanden ist.
Da Art. 21 auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. RL-EG Bezug nimmt, erscheint es zwar nicht zwingend, aber naheliegend, bei der Auslegung des Begriffs des "im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen" die in Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL getroffene Regelung heranzuziehen. Danach käme es für den Begriff der "Ansässigkeit" auf den Wohnsitz eines Unternehmers nicht an, wenn sich der Unternehmenssitz im Ausland befindet. Dies hätte den Vorteil, dass der Vertragspartner eines Unternehmers mit Sitz im Ausland nicht der Frage nachgehen muss, ob dieser Unternehmer zufälligerweise (auch) einen Wohnsitz im Inland hat.
Mangels ausdrücklicher Regelung in Art. 21 der 6. EG-RL ist jedoch nicht zweifelsfrei, wie der Begriff des im "Ausland ansässigen Unternehmers" eu-rechtlich zu definieren ist, wenn sich der Unternehmenssitz und der Wohnsitz des Unternehmers in unterschiedlichen Ländern befinden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 30.06.2010, XI R 5/08.