Leitsatz

Ob ein Arbeitnehmer seine weiter entfernt liegende Familienwohnung "nicht nur gelegentlich" aufsucht, ist anhand einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. 5 Fahrten im Kalenderjahr können bei entsprechenden Umständen ausreichend sein (gegen Abschn. 42 Abs. 3 Satz 5 LStR 1996).

 

Problematik

Die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die für Arbeitnehmer wie Selbstständige gleichermaßen gilt, beträgt ab dem 1.1.2004 je Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 0,30 EUR. Für die Entfernungsbestimmung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend. Hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbstständiger mehrere Wohnungen, so können Fahrten von und zu der von der Arbeitsstätte weiter entfernt liegenden Wohnung nur dann berücksichtigt werden, wenn sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Berufstätigen befindet und sie nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei Verheirateten regelmäßig am tatsächlichen Wohnort der Familie. Dieser Ort wird von der Finanzverwaltung bisher jedoch nur dann der Entfernungsberechnung zugrunde gelegt, wenn er von dem Berufstätigen mindestens 6-mal im Kalenderjahr aufgesucht wird. Bei Ledigen befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an dem Wohnort, zu dem die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Diese können ihren Ausdruck besonders in Bindungen an Personen wie Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis, finden, letztlich jedoch auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten. Die Finanzverwaltung geht bei einem Ledigen davon aus, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der weiter entfernt liegenden Wohnung befindet, wenn diese durch den Berufstätigen im Durchschnitt mindestens 2-mal monatlich aufgesucht wird.

 

Entscheidung des BFH

Ob ein Arbeitnehmer seine weiter entfernt liegende Familienwohnung "nicht nur gelegentlich" aufsucht, ist nach dem aktuellen Urteil des BFH – entgegen der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung – anhand einer Gesamtwürdigung des konkreten Sachverhalts zu beurteilen, wozu auch eine besonders große Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnung gehören kann. Im Urteilsfall lehnte das Gericht die starre Grenze von 6 Fahrten bei einem Verheirateten ausdrücklich ab und erkannte 5 Flugreisen des Arbeitnehmers zu seiner in der Türkei lebenden Familie als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an.

 

Konsequenzen für die Praxis

Die Finanzverwaltung nimmt das Urteil des BFH erfreulicherweise zum Anlass, die bisherige Regelung, die für die steuerliche Anerkennung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei mehreren Wohnungen ausschließlich auf die Zahl der Fahrten zur weiter entfernt liegenden Wohnung abstellt, zu modifizieren und behandelt die Zahl der Fahrten in R 42 Abs. 1 Satz 5 LStR 2005 nur noch als Indiz für den Mittelpunkt der Lebensinteressen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 26.11.2003, VI R 152/99, BStBl 2004 II S. 233

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