Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
1. Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, so ist ein Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03 %-Regelung) nur vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Für eine solche Nutzung besteht ein Anscheinsbeweis, der durch die Vorlage einer auf den Arbeitnehmer ausgestellten Jahres-Bahnfahrkarte entkräftet werden kann.
2. Mit der Entkräftung des Anscheinsbeweises ist der Sachverhalt zur Ermittlung des Zuschlags im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung des Dienstwagens umfassend aufzuklären (Anschluss an Senatsurteile v. 4.4.2008, VI R 85/04, BStBl 2008 II S. 887, und VI R 68/05, BStBl 2008 II S. 890).
Sachverhalt
Dem Urteil lag ein sog. Park-and-Ride-Fall zugrunde. Der Arbeitnehmer erhielt von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Der aus der Überlassung resultierende geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Fahrzeugs wurde nach der sog. 1 %-Regelung lohnsteuerlich erfasst. Auf den Ansatz des Zuschlags für Fahrten mit dem Dienstwagen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurde sowohl beim Lohnsteuerabzug als auch in den Einkommensteuererklärungen mit der Begründung verzichtet, dass der Arbeitnehmer für derartige Fahrten ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt habe. Das Finanzamt erhöhte den Bruttoarbeitslohn um 0,03 % des Listenpreises multipliziert mit der Zahl der Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, weil ein steuerlich anzuerkennendes Nutzungsverbot hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Arbeitgeber weder ausgesprochen noch in geeigneter Weise überwacht worden sei. Der Arbeitnehmer hatte für die Streitjahre Kopien von Bahnfahrkarten und persönlichen Jahreskarten vorgelegt.
Nach Auffassung des BFH kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat. Er verwies die Angelegenheit mit der Vorgabe an die Vorinstanz zurück, die entsprechenden Feststellungen nachzuholen.
Hinweis
Setzt der Arbeitnehmer ein ihm vom Arbeitgeber überlassenes Kraftfahrzeug bei den Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nur für eine Teilstrecke ein, weil er regelmäßig die andere Teilstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, ist der Ermittlung des pauschalen Nutzungswerts grundsätzlich die gesamte Entfernung zugrunde zu legen. Abweichend von diesem Grundsatz lässt die Finanzverwaltung – der Sichtweise in den zitierten Vorentscheidungen folgend – aus Billigkeitserwägungen zu, dass der pauschale Nutzungswert für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf der Grundlage einer geringeren Entfernung, die mit dem Kraftfahrzeug tatsächlich zurückgelegt worden ist, ermittelt wird, wenn für die restliche Teilstrecke z.B. eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt wird (vorletzter Absatz des BMF-Schreibens v. 23.10.2008, IV C 5 – S 2334/08/10010).
Diese Billigkeitsregelung setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine kürzere Strecke mit dem Firmenwagen zurücklegt, als der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte entspricht. Allein die Vorlage eines auf den Arbeitnehmer ausgestellten Job-Tickets rechtfertigt die Anwendung dieser Billigkeitsregelung laut Fiskus hingegen nicht. Der Arbeitnehmer muss das Ticket anstelle des Firmenwagens auch tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Dies muss der Arbeitgeber, z.B. durch Überwachung der Gesamtfahrleistung bzw. der Höhe von der Firma getragenen Treibstoffkostenkosten, überprüfen, wenn er beim Lohnsteuerabzug ohne Vorlage eines ordnungsmäßigen Fahrtenbuchs vom Ansatz eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte absehen will.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass der Arbeitnehmer den Firmenwagen monatlich an weniger als 15 Tagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat, wäre anstelle der 0,03 %-Regelung eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 28.8.2008, VI R 52/07.