Leitsatz (amtlich)
Führt ein Arbeitnehmer in dem Zeitraum, für den er Konkursausfallgeld erhält, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch, sind die Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen. Zwischen den fraglichen Aufwendungen und dem Konkursausfallgeld besteht kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. des § 3c EStG.
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Firma A in S beschäftigt, über deren Vermögen am 2.9.1996 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Für den Zeitraum vom 1.6.1996 bis zur Konkurseröffnung am 2.9.1996 erhielt der Kläger nicht den ihm vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitslohn, sondern Konkursausfallgeld. In der ESt-Erklärung für 1996 machte der Kläger u.a. Aufwendungen von 1 260 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in dem Zeitraum vom 2.6. bis 1.9.1996 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
Im Streitfall hat der Kläger die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt, um zur Arbeitsstätte zu gelangen und dort - auch während des Zeitraums, für den er das Konkursausfallgeld bezogen hat - seine Arbeitsleistung zu erbringen. Da der Kläger von seinem Arbeitgeber für den fraglichen Zeitraum den von diesem geschuldeten Arbeitslohn nicht erhalten hat, führten die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu vergeblichen Aufwendungen. Dies lässt jedoch ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unberührt.
§ 3c EStG steht dem Abzug der fraglichen Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegen. § 3c EStG kann nur dann Anwendung finden, wenn die steuerfrei gestellte Leistung jedenfalls steuerbar ist. Ob es sich bei dem durch § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei gestellten Konkursausfallgeld um eine steuerbare Leistung, nämlich um den Ersatz für entgangenen Arbeitslohn i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG handelt, kann offen bleiben. Aufwendungen, die zur Erzielung von nicht steuerbaren Einnahmen getätigt werden, erfüllen zwar von vornherein nicht den Werbungskostenbegriff. Wollte man in dem Konkursausfallgeld eine nicht steuerbare Versicherungsleistung sehen, wären die fraglichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gleichwohl nicht vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Diese Aufwendungen werden nicht zur Erzielung des Konkursausfallgelds getätigt. Zwischen den Aufwendungen und dem Konkursausfallgeld besteht kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. des § 3c EStG.
Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte stehen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Dies gilt auch für den Zeitraum, für den der Arbeitnehmer das Konkursausfallgeld erhält. Die fraglichen Fahrten dienen der Erbringung der arbeitstäglich geschuldeten Dienstleistung. Das Konkursausfallgeld erhält der Arbeitnehmer jedoch nicht für die Erbringung seiner Dienstleistung, sondern wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Der unmittelbare Bezug der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Arbeitsverhältnis hat deshalb auch während des Zeitraums, für den der Arbeitnehmer das Konkursausfallgeld erhält, Vorrang und verdrängt den nur mittelbaren Zusammenhang mit dem als Ersatz für den ausgefallenen Arbeitslohn gezahlten Konkursausfallgeld.
Link zur Entscheidung
BFH vom 23.11.2000 – VI R 93/98