Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Bei einer Antragsveranlagung kommt eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht, weil die Veranlagung nicht verpflichtend war.
Sachverhalt
Im Urteilsfall reichten ausschließlich Lohneinkünfte beziehende Ehegatten die Einkommensteuererklärungen 2002 und 2003 erst im November 2008 ein. Das Finanzamt lehnte die Durchführung der Antragsveranlagungen ab. Auch der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die Antragsveranlagungen zu Recht nicht mehr durchgeführt worden waren, da den Veranlagungen der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand.
In beiden Fällen betrug die Festsetzungsfrist 4 Jahre, jeweils beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Einkommensteuer 2002 verjährte somit mit Ablauf des Jahrs 2006, die Einkommensteuer 2003 mit Ablauf des Jahrs 2007. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war auch nicht durch die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, da diese nur zur Anwendung kommt, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist. Dies ist jedoch bei einer Antragsveranlagung gerade nicht der Fall. Die Steuerpflichtigen waren lediglich berechtigt, eine Steuererklärung abzugeben und wurden auch nicht vom Finanzamt zur Abgabe einschlägiger Erklärungen aufgefordert. Im Fall einer Antragsveranlagung findet daher § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO keine Anwendung.
Hinweis
Damit dürfte die seit einiger Zeit bestehende Diskussion, ob Antrags- und Pflichtveranlagungen verjährungsmäßig gleichzustellen sind, nunmehr beendet sein. Der BFH sieht auch keine diesbezüglichen gleichheitsrechtlichen Bedenken, da die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO verhindern soll, dass durch eine späte Einreichung der Steuererklärung die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 14.4.2011, VI R 53/10.