Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Bei Berechnung der Feststellungsfrist für Verlustfeststellungen nach § 10d EStG kommt die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Anwendung.
Sachverhalt
Im Urteilsfall machte der Steuerpflichtige in 1996 und 1997 entstandene Aufwendungen für seine Pilotenausbildung nachträglich geltend, indem er im November 2003 Einkommensteuererklärungen und Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für diese Jahre abgab. Der BFH gewährte ihm die von Finanzamt und FG abgelehnte Durchführung der Verlustfeststellungen, da die Feststellungsfrist in beiden Jahren noch eine Verlustfeststellung zuließ.
Bei Berechnung der Feststellungsfrist ist die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu beachten, wonach bei Nichtabgabe der Steuererklärung die Feststellungsfrist mit Ablauf des 3. Kalenderjahrs beginnt, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung folgt. Denn Steuererklärung nach dieser Vorschrift ist auch die Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Entsprechend war der in 2003 gestellte Antrag auf Verlustfeststellung zum 31.12.1997 noch innerhalb der (bis zum 31.12.2004 laufenden) Feststellungsfrist eingegangen und deren Ablauf durch die Anfechtung des Ablehnungsbescheids gehemmt (§ 171 Abs. 3a AO).
Hinsichtlich der Verlustfeststellung 31.12.1996 endete die Feststellungsfrist zwar am 31.12.2003. Allerdings kam § 181 Abs. 5 Satz 1 AO zur Anwendung, wonach auch nach Ablauf der für die bislang unterbliebene Feststellung geltende Feststellungsfrist insoweit noch eine Feststellung ergehen kann, als sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist.
Entsprechendes gilt, wenn die gesonderte Feststellung (zum 31.12.1996) Grundlagenbescheid für einen weiteren Feststellungsbescheid (hier: Verlustfeststellung zum 31.12.1997) ist, für die die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Der BFH verneinte auch die Anwendung von § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG, wonach § 181 Abs. 5 AO nur anzuwenden ist, wenn die Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat. Die Vorschrift gilt für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen (19.12.2006). Für die Verlustfeststellung zum 31.12.1996 war die Feststellungsfrist am 19.12.2006 jedoch bereits abgelaufen, da § 181 Abs. 5 AO keine Ablaufhemmung auslöst, sondern lediglich den Erlass eines Feststellungsbescheids mit eingeschränktem Regelungsgehalt ermöglicht, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen war.
Hinweis
Die vom Steuerpflichtigen im November 2003 abgegebene Feststellungserklärung bewirkte keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO, da eine gesetzlich vorgeschriebene Feststellungserklärung kein Antrag im Sinne dieser Vorschrift ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 10.7.2008, IX R 90/07.