Leitsätze (amtlich)

  1. Die für die Annahme einer Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers setzt voraus, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte aus Anteilen an der juristischen Person als Organgesellschaft verfügt. Sie muss über 50 v.H. der gesamten Stimmrechte betragen.
  2. Die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers ist nicht gegeben, wenn dieser die notwendige qualifizierte Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann.
 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Organträgerin mit der PTA-GmbH und der PS-GmbH als Organgesellschaften in einem Unternehmen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verbunden war. An der Klägerin, einer KG, waren im Streitjahr 1996 E mit 80 % und K mit 20 % beteiligt. Beschlüsse wurden für die Klägerin mit einfacher Stimmenmehrheit - in Ausnahmefällen mit 75 % der Stimmen -gefasst. Die Kapitalanteile der PTA-GmbH und der PS-GmbH hielten im Streitjahr zu 60 % die Klägerin und zu je 20% der Minderheitsgesellschafter der Klägerin K und ein Dritter. Nach den inhaltsgleichen Gesellschaftsverträgen wurden Beschlüsse für die PTA-GmbH und die PS-GmbH grundsätzlich mit 65 % der Stimmen, in Ausnahmefällen mit 75 % der Stimmen, gefasst. Die Klägerin verpachtete ihr gesamtes Anlagevermögen an die PTA-GmbH und die PS-GmbH. Im Januar 1996 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der PTA-GmbH eröffnet. Das Finanzamt meinte, die Klägerin sei mit der PTA-GmbH und der PS-GmbH organschaftlich verbunden. Es setzte daher abweichend von der USt-Voranmeldung für Januar 1996 in einem USt-Vorauszahlungsbescheid die USt gegen die Klägerin unter Berücksichtigung eines Vorsteuerberichtigungsanspruchs (wegen der für Leistungen an die PTA-GmbH beanspruchten Vorsteuerbeträge) fest. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt und ermäßigte die Steuerfestsetzung auf den (negativen) Steuerbetrag, der sich ohne die organschaftliche Verbindung ergibt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UstGnicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Eine finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger unmittelbar oder mittelbar in einer Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann[2]. Maßgebend ist die Stimmenmehrheit[3]. Die Mehrheit der Stimmrechte aus Anteilen an der Organgesellschaft muss über 50 % der gesamten Stimmrechte betragen, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Die Stimmenmehrheit des Organträgers für Beschlüsse in der Organgesellschaft kann auch durch mittelbare Beteiligung erreicht werden. Eine mittelbare Beteiligung ist vorhanden, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft über eine Beteiligung (als Gesellschafter) an einer Gesellschaft erreicht wird, die unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt ist, oder wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird, z.B. dadurch, dass der Mehrheitsgesellschafter des Organträgers auch über die Stimmenmehrheit in der Organgesellschaft verfügt. Die finanzielle Eingliederung ist vorhanden, wenn der Organträger auf diese Weise mittelbar seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Maßgebend ist, dass die Stimmenmehrheit allgemein und nicht nur im Einzelfall erreicht werden kann.

Im Streitfall sichert die Beteiligung des K an der PTA-GmbH und PS-GmbH (mit 20 %) mit der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an diesen Gesellschaften (mit 60 %) nicht, dass die für Beschlüsse in der PTA-GmbH und PS-GmbH notwendige Mehrheit von 65 % erreicht wird. Die Stimmenmehrheit der Klägerin in der PTA und der PS hängt von dem jeweiligen Stimmverhalten des K ab. Eine vom Willen der Klägerin abweichende Willensbildung bei ihrem Minderheitsgesellschafter K ist nicht ausgeschlossen, weil er bei der Willensbildung von der Klägerin überstimmt worden sein kann, denn ihm stehen insoweit nur 20% der Stimmrechte zu. Die Beteiligung eines Minderheitsgesellschafters an der Beteiligungsgesellschaft kann erst dann zu den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters hinzugezählt werden, wenn dieser sich durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleichgerichteten Stimmverhalten verpflichtet hat. Dafür gibt es im Streitfall weder Feststellungen noch Anhaltspunkte.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 22.11.2001 – V R 50/00

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