Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Eine nicht den realen Wertverhältnissen entsprechende Verschmelzung, zu deren Durchführung das Kapital der aufnehmenden Kapitalgesellschaft um den Nominalwert der Anteile der übertragenden Kapitalgesellschaft erhöht wird, kann – anteilig – zu einer nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG steuerbaren verdeckten Einlage des Wirtschaftsguts "Geschäftsanteil" zugunsten neuer, im Zuge der Verschmelzung gewährter Geschäftsanteile führen, wenn die steuerpflichtige natürliche Person sowohl am Übernehmenden wie auch an der Anteilseignerin der übertragenden Kapitalgesellschaft maßgebend beteiligt ist.
Sachverhalt
K ist direkt zu 50 % an der B-GmbH und über eine BV zu 50 % an der A-GmbH beteiligt. Wird die A- auf die B-GmbH verschmolzen und das Kapital der B-GmbH um 100.000 EUR erhöht, erhält die BV einen Anteil an der B-GmbH von 25 % (Geschäftsanteil von 50.000 EUR) und verzeichnet damit einen Wertzuwachs. Denn ihr Anteil ist nun 1,25 Mio. EUR wert, vor der Verschmelzung waren es nur 50.000 EUR. Durch sein Mitwirken legt K in die BV einen Teil seines Geschäftsanteils ein und muss die Differenz von 1,2 Mio. EUR zu seinen Anschaffungskosten versteuern. Finanzamt und FG kamen zum gleichen Ergebnis, jedoch mit dem etwas falschen Umweg über eine Einlage von Bezugsrechten. Dennoch konnte der BFH die Vorentscheidung bestätigen.
Hinweis
Bei einer verhältniswahrenden Verschmelzung wird das Umtauschverhältnis der Anteile anhand der realen Werte festgelegt. Eine nicht verhältniswahrende Verschmelzung liegt vor, wenn das Kapital der aufnehmenden Gesellschaft um den Nominalwert der Anteile der übertragenden Gesellschaft erhöht wird und dementsprechend als Gegenleistung für die Übertragung neue Anteile an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft ausgegeben werden, obschon dies den realen Wertverhältnissen nicht entspricht. Dann erhält der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft, die mehr wert sind als seine bisherigen Anteile an der übertragenden Gesellschaft.
Das steuerrechtliche Problem rührt daraus, dass die Gesellschafter der aufnehmenden und der übertragenden Gesellschaft identisch sind: Fraglich ist, ob K durch sein Mitwirken an der Verschmelzung der BV etwas zugewendet hat.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG steht die Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung der Anteile gleich. Finanzamt und FG haben dies bejaht und angenommen, K habe mit der Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht erworben und in die BV eingelegt. Wird das Kapital einer Gesellschaft im Zuge einer Verschmelzung erhöht, entsteht jedoch kein Bezugsrecht, weil die neuen Anteile den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft als Gegenleistung dafür zustehen, dass diese ihr Vermögen überträgt. Dies hat den BFH zu folgender Lösung veranlasst: Der Geschäftsanteil wird direkt verdeckt eingelegt. Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Anteile bewirken einerseits den beschriebenen Wertetransfer, andererseits eine Abspaltung der durch den alten Gesellschaftsanteil verkörperten Substanz und damit eines Teils des "Geschäftsanteils". Dieser "Geschäftsanteil" ist ein Wirtschaftsgut, gleich, ob er zivilrechtlich wirksam abgetrennt wurde. Mit der Substanz werden nicht nur Werte verschoben, sondern auch Mitgliedschaftsrechte. Die Substanz geht vom alten Geschäftsanteil unmittelbar auf den durch die Verschmelzung geschaffenen neuen Geschäftsanteil über. Damit legt K einen Teil des Geschäftsanteils an der übernehmenden B-GmbH in die bisher an der übertragenden A-GmbH beteiligte und mittels Verschmelzung nun an der übernehmenden B-GmbH beteiligte BV ein: ein nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG steuerbarer Vorgang.
Link zur Entscheidung
BFH, 09.11.2010, IX R 24/09.