Leitsatz
Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden und die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben.
Sachverhalt
Ein leitender Angestellter mit umfangreicher Außendiensttätigkeit verfügte über einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden durfte. Hierfür wurden beim Lohnsteuerabzug monatlich 661,25 DM Arbeitslohn gemäß der 1 %-Methode erfasst. Im Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid wurde vorgetragen, es seien nur 1330 km privat zurückgelegt worden, was bei einem km-Satz von 0,6175 DM einen Nutzungsvorteil von 821 DM ausmache. Das ergebe sich aus zeitnah gefertigten Aufzeichnungen, nämlich aus einer Übersicht mit den täglich notierten Terminen, aus Zetteln, auf denen getrennt für jeden Tag je Fahrt die angefahrene Stadt und die zurückgelegten Kilometer festgehalten worden seien und aus Monatsübersichten, in die regelmäßig am Abend desselben Tages, jedenfalls aber zum Wochenende die Werte der Aufzeichnungen übertragen worden seien. Später wurde ein darauf beruhendes, nachträglich erstelltes Fahrtenbuch übergeben sowie ein Blatt für den Juli des Streitjahres mit Abfahrts- und Ankunftszeiten, den bereisten Städten, einem Stichwort zum Anlass der Reise sowie der Anzahl der je Tag dienstlich bzw. privat zurückgelegten Kilometer. Das FG setzte den Arbeitslohn antragsgemäß um 7114 DM herab. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Entscheidung
Nach § 8 Abs. 2 Sätze 2ff. i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG kann ein individueller Nutzungswert aufgrund eines Einzelnachweises nur angesetzt werden, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliegt. Hierfür gibt es zwar keine Legaldefinition. Aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung ergeben sich aber bestimmte Mindestanforderungen. Dem Wortlaut Fahrten-"Buch" lässt sich entnehmen, dass die Angaben in gebundener, jedenfalls aber in einer in sich geschlossenen Form festzuhalten sind, die nachträgliche Veränderungen ausschließt oder zumindest erkennbar macht. Lose Notizzettel reichen dagegen nicht. "Ordnungsgemäß" besagt, dass die Fahrten geordnet, also in übersichtlicher äußerer Form und zeitlich fortlaufend wiedergegeben werden müssen. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich ferner, dass die Aufzeichnungen zeitnah zu führen sind, weil nur so gewährleistet ist, dass Privatfahrten nicht dem beruflichen Nutzungsanteil zugerechnet werden bzw. unberücksichtigt bleiben.
Nach diesen Grundsätzen konnte das Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß anerkannt werden. Das nachträglich gefertigte Fahrtenbuch ist nicht zeitnah erstellt worden. Es reicht auch nicht aus, dass dessen Angaben mit zwar laufend, aber lose gefertigten Aufzeichnungen auf Notizzetteln und Terminübersichten übereinstimmen. Außerdem gibt die nur für Juli 1996 gefertigte Monatsübersicht den am Ende der Fahrten erreichten Gesamtkilometerstand fast durchgängig nicht wieder. Schließlich können die Notizen mangels hinreichender Übersichtlichkeit nicht mit vertretbarem Aufwand auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft werden.
Praxishinweis
Die Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit den formalen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch: zeitnahe fortlaufende in sich geordnete Aufzeichnung in so geschlossener Form, dass eine Manipulation des Inhalts weitgehend ausgeschlossen ist. Als inhaltliche Anforderung ist noch genannt, dass am Ende der jeweiligen Fahrt bzw. Reise der Gesamtkilometerstand, also nicht nur die jeweilige Distanz angegeben sein muss. In den anhängigen Verfahren VI R 86-88/04, die zur Entscheidung anstehen, kann mit weiterer inhaltlicher Präzisierung zum Fahrtenbuch gerechnet werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 9.11.2005, VI R 27/05