Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Ein als Systemadministrator tätiger Diplom-Ingenieur für technische Informatik kann einen freien Beruf ausüben.
Sachverhalt
Der Kläger ist nach Abschluss eines Studiums der Fachrichtung Technische Informatik an einer staatlichen Berufsakademie berechtigt, die Bezeichnung Diplom-Ingenieur zu führen. Er war als Systemadministrator für Rechnernetze mit mehreren 1.000 Nutzern tätig. Finanzamt und FG beurteilten seine Tätigkeit als gewerblich.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Zu den ingenieurtypischen Tätigkeiten im Bereich der EDV und Informationstechnik gehört auch die Netz- und Systemadministration. Der Kläger hat daher eine freiberufliche Tätigkeit als Ingenieur ausgeübt.
Hinweis
Der Begriff "Ingenieur" ist ein Terminus des § 18 EStG, wird aber im Steuerrecht nicht definiert und lässt sich auch nicht aus steuerrechtlichen Sachgesetzlichkeiten oder Prinzipien ableiten. Vielmehr kann dieser Begriff nur anhand der Verkehrsanschauung konkretisiert werden. Die Rechtsprechung greift hier traditionell auf zwei Prüfparameter zurück: Ingenieur i.S. v. § 18 EStG ist, wer die erforderliche Berufsqualifikation aufweist und eine Ingenieurtätigkeit auch tatsächlich ausübt:
- Über die Qualifikation eines Ingenieurs verfügt, wer aufgrund seiner Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Bergschule oder – neu – einer staatlichen Berufsakademie nach den Ingenieurgesetzen der Länder die Berufsbezeichnung Ingenieur führen darf.
- Ursprünglich hat der BFH entschieden, dass auf dem Gebiet der EDV und Informationstechnik die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software zu den Ingenieurtätigkeiten gehören. Ergänzend stellt er nun klar, dass die ingenieurtypischen Tätigkeiten im IT-Bereich sehr viel weiter reichen, also auch die Entwicklung und Anpassung von Betriebssystemen, den Aufbau und die Verwaltung von Netzwerken und vieles mehr umfassen.
- Vor diesem Hintergrund sind auch zwei weitere Urteile des BFH v. 22.09.2009 zu sehen:
- Im Verfahren VIII R 63/06 wurde entschieden, dass ein Autodidakt, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, ebenfalls einen ingenieurähnlichen und damit freien Beruf ausüben kann, wenn er Betriebs- und Datenübertragungssysteme einrichtet und betreut.
- Der Entscheidung lag der Fall eines "Betriebswirts-EDV" zugrunde, der an einer Fachschule für EDV eine staatliche Prüfung abgelegt und sich nach einer Angestelltentätigkeit im Bereich der Systemanalyse, -beratung, -technik und -programmierung als Unternehmensberater auf dem Gebiet des EDV-Consulting bzw. Software Engineering selbstständig gemacht hatte.
- Zum gleichen Ergebnis kommt der BFH im Verfahren VIII R 79/06. Dieses betrifft einen als Leiter von IT-Projekten tätigen Autodidakten, dem ebenfalls ingenieurspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt wurden.
Link zur Entscheidung
BFH, 22.09.2009, VIII R 31/07.