Leitsatz

Die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG, die bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht einen geringeren Freibetrag als bei unbeschränkter Steuerpflicht vorsieht, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Sachverhalt

W ist Erbin nach ihrem im Jahr 2000 verstorbenen Ehemann E. Beide Ehegatten lebten als deutsche Staatsangehörige in Österreich und hatten innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Erbfall weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Zum Nachlass gehörte u.a. der Anteil des E an einem im je hälftigen Miteigentum beider Ehegatten stehenden unbebauten inländischen Grundstück. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer für das Inlandsvermögen auf der Grundlage eines Grundstückswerts von 45375 DM und unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 2000 DM auf 3031 DM fest. W meint, aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen gelte der höhere Freibetrag für unbeschränkt Steuerpflichtige.

 

Entscheidung

  1. Die Steuerpflicht tritt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur für den Vermögensanfall ein, der in Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG besteht, weil weder E noch W "Inländer" i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG waren. Der Erwerb bleibt – ohne Differenzierung nach dem persönlichen Verhältnis zwischen Erblasser und Erwerber – in Höhe von 2000 DM steuerfrei[1]. Die erbschaftsteuerliche Erfassung des unbebauten Grundstücks entspricht Art. 3 Abs. 1 DBA-Österreich, der das Besteuerungsrecht für unbewegliches Vermögen dem Belegenheitsstaat zuweist.
  2. § 16 Abs. 2 ErbStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn zwischen beschränkt und unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen, bei denen der gesamte Vermögensanfall[2] der Erbschaftsteuer unterliegt, bestehen so erhebliche Unterschiede, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Gleichbehandlung dieser Personengruppen verpflichtet ist. Würde auch der Belegenheitsstaat neben dem Wohnsitzstaat einem beschränkt Steuerpflichtigen die persönlichen Freibeträge gewähren, könnten diese für denselben Erwerbsvorgang doppelt in Anspruch genommen werden. Die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn im Einzelfall der Schwerpunkt des Vermögens eines Steuerausländers nicht in seinem Wohnsitzstaat, sondern in Deutschland belegen sein sollte[3].
  3. Soweit der EuGH eine differenzierende Regelung in den Fällen fordert, in denen nahezu die gesamten Einkünfte bzw. Vermögenswerte dem Staat der beschränkten Steuerpflicht zugeordnet sind und der Wohnsitzstaat die persönlichen Verhältnisse daher nicht angemessen berücksichtigen kann[4], spricht vieles dafür, diese Grundsätze auch auf entsprechende erbschaftsteuerrechtliche Regelungen zu übertragen. Die Einholung einer Vorwegentscheidung des EuGH kam für den BFH nicht in Betracht, weil das FG Feststellungen zur Vermögensverteilung zwischen Belegenheits- und Wohnsitzstaat nicht getroffen hatte.
 

Praxishinweis

Wegen der sehr niedrigen persönlichen Freibeträge ist Österreich regelmäßig bereits bei einem dort steuerpflichtigen Vermögen von umgerechnet 4264 DM (Ehegatten-Freibetrag) in der Lage, die persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Sollte das in Österreich steuerpflichtige Vermögen den Wert von 4264 DM nicht erreichen, stellte sich die weitere Frage, ob der Anspruch der W auf Nichtdiskriminierung zur Gewährung des hohen inländischen Ehegatten-Freibetrags oder nur eines zusätzlichen Freibetrags in Höhe des nicht ausgeschöpften Teils des österreichischen Ehegatten-Freibetrags führt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 21.9.2005, II R 56/03

[1] Vgl. § 16 Abs. 2 ErbStG i.d.F. bis zum 31.12.2001
[3] Vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.10.1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, S. 1, unter B.III.3., 4.
[4] Vgl. EuGH-Urteile vom 14.2.1995, C-79/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225 Rz. 30–35; vom 11.8.1995, C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 18–22; vom 12.12.2002, C-385/00 (de Groot), Slg. 2002, I-11819, Rz. 89

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