Leitsatz (amtlich)

Wird nach der unentgeltlichen Übertragung eines (forstwirtschaftlichen) Teilbetriebs der (landwirtschaftliche) Restbetrieb aufgegeben, so steht dem Land- und Forstwirt hierfür der volle Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F. zu.

 

Sachverhalt

Der im Streitjahr 1994 68 Jahre alte Kläger unterhielt einen verpachteten landwirtschaftlichen und einen selbst bewirtschafteten forstwirtschaftlichen (Teil-) Betrieb. Am 20.10.1994 übertrug er seiner Tochter zum 1.10.1994 den forstwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich und erklärte mit Schreiben vom 9.11.1994 gegenüber dem Finanzamt, seinen landwirtschaftlichen Betrieb zum 1.12.1994 aufzugeben. Das Finanzamt meinte, der Kläger habe nur einen (landwirtschaftlichen) Teilbetrieb aufgegeben. Dementsprechend berechnete es neben dem Aufgabegewinn "Landwirtschaft" von 230497 DM auch einen fiktiven Aufgabegewinn "Forstwirtschaft" von 92 727 DM und ermittelte daraus einen verhältnismäßigen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von 69 013 DM, so dass neben dem laufenden Gewinn von 1 030 DM ein steuerpflichtiger Aufgabegewinn von 161484 DM blieb. Das FG gab der Klage, mit der der Kläger den vollen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG begehrte, statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Entgegen der Auffassung des Finanzamts hat der Kläger im Streitfall keinen Teilbetrieb, sondern einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben. Dabei kann dahinstehen, ob es sich, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, ursprünglich tatsächlich um zwei Teilbetriebe eines land- und forstwirtschaftlichen Gesamtbetriebs handeln konnte oder ob - wozu der Senat neigt -mit der Verpachtung des landwirtschaftlichen Teils der für die Annahme von Teilbetrieben erforderliche Zusammenhang zwischen den beiden Nutzungen unterbrochen wurde und dadurch zwei eigenständige Betriebe entstanden sind. Selbst dann, wenn man mit dem FG von der Existenz zweier Teilbetriebe ausginge, hätte der Kläger keinen Teilbetrieb "Landwirtschaft" aufgegeben. Nach der Übertragung des forstwirtschaftlichen Teilbetriebs auf die Tochter hätte der landwirtschaftliche Betrieb seine Teilbetriebseigenschaft verloren und wäre seinerseits zum Hauptbetrieb geworden, so dass der Kläger - wenn auch nur kurze Zeit darauf - in jedem Fall einen eigenständigen Betrieb aufgegeben hätte. Auch im Schrifttum wird einhellig die Auffassung vertreten, dass der Steuerpflichtige, der nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebs den Restbetrieb veräußert oder aufgibt, den vollen Freibetrag erhält, da dann der verbleibende Betriebsteil (wieder) zu einem ganzen Betrieb geworden ist[2].

Allerdings wird diese Auffassung mit der Einschränkung vertreten, der Steuerpflichtige dürfe die Teilbetriebe nicht aufgrund eines einheitlichen Entschlusses zum Zwecke der Steuerersparnis veräußert haben, weil dann von einer einheitlichen Betriebsaufgabe auszugehen sei[3] oder der Umgehungstatbestand des § 42 AO verwirklicht werde[4]. Weder die Beteiligten selbst noch das FG haben aber im Streitfall Anhaltspunkte für eine unangemessene Gestaltung gesehen. Der Kläger konnte den Forst im Wege der vorweggenommenen Erbfolge jederzeit auf seine Tochter übertragen und den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung durch Abgabe einer Erklärung frei bestimmen, weil dieser Teil den Grundsätzen der Betriebsverpachtung unterlag. Diese Wertung kann auch nicht durch einen einheitlichen Entschluss des Steuerpflichtigen in Frage gestellt werden. Denn spätestens nach der Übertragung des Forstbetriebs auf die Tochter war der verpachtete landwirtschaftliche Teil ein eigenständiger Betrieb, der jederzeit aufgegeben werden konnte. Ein Steuerpflichtiger, der sich wie der Kläger im Rentenalter befindet, wird seine betriebliche Tätigkeit kaum anders als aufgrund eines Gesamtplans beenden. Wenn er sich dazu der Wahlrechte bedient, die ihm die Rechtsordnung zur Verfügung stellt, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, dass ihm der Nachweis gelingt, nicht aufgrund eines einheitlichen Gesamtplans gehandelt zu haben.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 9.11.2000 - IV R 60/99

[2] Vgl. z.B. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., München 1995, § 16 Rz. 576
[3] Vgl. Reiß, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rn. G 7
[4] So Erdweg, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Anm. 468

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