Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs rechtfertigen es nicht, anstelle der im Vertrag tatsächlich vereinbarten Leistung der Besteuerung eine höhere Gegenleistung unter Hinweis darauf zugrunde zu legen, dass eine solche unter fremden Dritten gefordert (und erbracht) worden wäre.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb durch notariellen "Übertragungs- und Ehevertrag" vom 4.3.1994 von seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau 1/2 Grundstücksanteil. Die Übertragung erfolgte zur Auseinandersetzung über das Grundstück wegen der bevorstehenden Scheidung zu einem Kaufpreis von 148000 DM. Durch notariellen Vertrag vom 27.5.1995 verkaufte der Kläger das gesamte Grundstück für 540 000 DM. Das Finanzamt erfasste bei der ESt-Veranlagung 1995 aus der Veräußerung des vom Kläger von der damaligen Ehefrau erworbenen Grundstücksanteils einen Spekulationsgewinn von 112 624 DM (50 % des Verkaufspreises nach Abzug der durch die Veräußerung entstandenen Kosten = 260 624 DM ./. 148 000 DM Anschaffungskosten). Dagegen machte der Kläger geltend, der Spekulationsgewinn betrage nur 23 178 DM. Er habe im Rahmen der Scheidung seine damalige Ehefrau von sämtlichen aus der Ehe stammenden Schulden (ca. 428 000 DM) freigestellt; diese seien bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns als Anschaffungskosten abzuziehen. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn aus Spekulationsgeschäften der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Anschaffungskosten i.S. der Vorschrift sind alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Dieser aus dem Handelsrecht in das Steuerrecht übernommene einheitliche Anschaffungskostenbegriff gilt gleichermaßen für Gewinn- und Überschusseinkünfte. Zu den Anschaffungskosten gehören neben dem Anschaffungspreis auch alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts stehen, soweit diese Aufwendungen dem einzelnen Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Zur Gegenleistung für den Erwerb können auch Aufwendungen zählen, die neben dem nach dem Kaufvertrag geschuldeten Kaufpreis aufgrund eines gesonderten Vertrages geleistet werden, und auch solche, die nicht in einem Vertrag fixiert sind.
Der Senat kann offen lassen, ob die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs bei Verträgen zwischen getrennt lebenden Ehegatten überhaupt anzuwenden sind. Im Streitfall jedenfalls bilden sie kein geeignetes Kriterium für die Ermittlung der zu berücksichtigenden Anschaffungskosten. Der sog. Fremdvergleich dient bei Rechtsverhältnissen unter Angehörigen der Klärung der Frage, ob und inwieweit der zu beurteilende Leistungsaustausch dem Bereich der Einkünfteerzielung oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist. Vor seiner Anwendung müssen zunächst die von den Vertragsparteien im konkreten Fall getroffenen Vereinbarungen ermittelt werden. Ergibt sich dabei, dass die von den Vertragsparteien vereinbarten Leistungen nicht ausgewogen sind, ist es nicht zulässig, unter Rückgriff auf den sog. Fremdvergleich den tatsächlich verwirklichten durch einen anderen (fingierten) Sachverhalt zu ersetzen, weil unter fremden Dritten eine höhere (ausgewogene) Gegenleistung gefordert (und auch erbracht) worden wäre.
Das FG muss nun ermitteln, welche konkreten Gegenleistungen der Kläger und seine damalige Ehefrau für die Übertragung des Grundstücksanteils vereinbart haben: Ob nur der im notariellen Vertrag vom 4.3.1994 vereinbarte Kaufpreis Gegenleistung war und damit angesichts des höheren Verkehrswerts gegebenenfalls ein teilentgeltlicher Erwerb vorlag oder ob zusätzlich zu dem Kaufpreis als Gegenleistung weitere Aufwendungen, z.B. übernommene Verbindlichkeiten, als Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.
Link zur Entscheidung
BFH vom 31.5.2001 - IX R 78/98