Postsendungen werden i. d. R. am folgenden Werktag ausgeliefert

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers – ein Anwalt – hatte am 22.5.2015 eine Berufungsschrift in den Briefkasten der Deutschen Post geworfen. Infolge eines Poststreiks erreichte der Brief jedoch nicht rechtzeitig das Gericht; die Frist war abgelaufen. Grundsätzlich darf ein Anwalt darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden und er somit die geforderte Frist einhält. Den Anwalt trifft daher im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, sofern er veranlasst hat, dass dieser so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, dass er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen.

Wann muss nachgefragt werden?

Anders – so das Gericht – ist ein Fall zu beurteilen, wenn dem Postkunden besondere Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen könnten. Eine solche Ausnahmesituation, in der das Vertrauen in die Einhaltung von normalen Postlaufzeiten erschüttert sein kann, ist der Poststreik. Wird die Post bestreikt und wählt ein Prozessbevollmächtigter für die Beförderung eines fristgebundenen Schriftsatzes gleichwohl den Postweg, obwohl sicherere Übermittlungswege (Einwurf in den Gerichtsbriefkasten am Ort, Benutzung eines Telefaxgerätes) zumutbar sind, treffen ihn gesteigerte Sorgfaltspflichten. Er ist daher verpflichtet, sich bei fristgebundenen Schriftsätzen durch Nachfragen bei Gericht über dessen rechtzeitigen Eingang zu vergewissern. Unterlässt er dies, ist die Fristversäumnis nicht unverschuldet.

Im vorliegenden Fall war es so, dass nur bestimmte Gebiete des Dienstleistungsbereichs der Deutschen Bundespost AG bestreikt wurden. Hier wäre der Anwalt verpflichtet gewesen, die bei der Deutschen Post eingerichtete Auskunftsmöglichkeit zu nutzen, um zu erfahren, ob der für seine Sendung vorgesehene konkrete Sendungsverlauf von dem Streik betroffen ist.

Diese Sorgfaltspflichten hat der Anwalt in dem entschiedenen Fall beachtet. Nach Einwurf des Briefes hatte er im Internetportal der Post angefragt, ob die betroffene Postleitzahl bestreikt würde. Er erhielt die Auskunft, dass in diesem Bereich keine Beeinträchtigungen durch den Streik erfolgen würden. Aufgrund dieser Auskunft vertraute er darauf, dass sein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingehen würde. Er war deshalb nicht gehalten, sich noch einmal durch Nachfrage bei Gericht über den Eingang des Schriftstückes zu erkundigen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Der Anwalt beantragte daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das ist möglich, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden eine Frist versäumt hat. Infolgedessen musste ihm die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

(BGH, Beschluss v. 18.2.2016, V ZB 126/15)

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