Leitsatz
Die Abgabe von Speisen und Getränken in einem Musical-Theater ist keine steuerbefreite Nebenleistung zur Theatervorstellung.
Sachverhalt
Eine KG betrieb in den Streitjahren 1996 und 1997 ein Theater sowie ein zugehöriges Restaurant, das Speisen und Getränke anbot, eine Snackbar, die Snacks und Getränke offerierte, sowie drei Foyerbars mit Stehtischen, an welchen nur Getränke ausgeschenkt wurden. Der für jedermann zugängliche Gastronomiebereich öffnete zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn, war während der Vorstellung mit Ausnahme der Pause geschlossen und schloss regelmäßig eine Stunde nach Vorstellungsende. Die Eintrittskarten für das Theater wurden erst unmittelbar am Eingang in den Zuschauerraum kontrolliert. Andere gastronomische Betriebe gab es in der Umgebung des Theaters nicht. Die zuständige Kulturbehörde bescheinigte der KG, dass sie mit ihren Vorführungen Leistungen i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG erbringe. Die KG behandelte die Gastronomieumsätze als steuerfreie Nebenleistungen zu den steuerbefreiten Theaterleistungen. Das Finanzamt unterwarf sie dagegen als eigenständige Umsätze dem Regelsteuersatz. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Gastronomieumsätze des Theaters sind nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG begünstigt. Sie sind auch keine eng mit typischen Theaterleistungen verbundenen Umsätze, die bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-RL von der Steuer befreit werden können, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, unerlässlich sind oder wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
Umsätze im für jedermann zugänglichen Gastronomiebereich eines Theaters sind aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers für die Theateraufführung nicht unerlässlich. Ferner haben die Restaurationsumsätze der KG mit 11 % und 12 % der Gesamtumsätze ein eigenständiges Gewicht und sind nicht von untergeordneter Bedeutung. Die KG steht mit ihren Umsätzen auch im Wettbewerb mit anderen Gastronomieunternehmen der Region. Unerheblich ist, dass die Leistungen mangels anderer Gastronomiebetriebe in der unmittelbaren Umgebung tatsächlich überwiegend an Theaterbesucher erfolgen. Der Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität gebietet es, die Restaurationsumsätze der KG ebenso zu behandeln, wie die anderer Gastronomiebetreiber.
Im Übrigen hat der BFH die früher vertretene Auffassung, Lieferungen von Speisen und Getränken könnten unter den bezeichneten Voraussetzungen als Nebenleistungen zu Theaterumsätzen angesehen werden, ausdrücklich aufgegeben.
Praxishinweis
Die Frage, was unter "eng verbundene Leistungen" bzw. "Nebenleistungen" zu steuerfreien Theaterleistungen fallen kann, wurde in letzter Zeit mehrfach relevant. Die Einbeziehung von zusätzlichen Leistungen der Theater in die Steuerfreiheit ist insbesondere von Interesse, wenn damit nicht unwesentliche zusätzliche Einnahmen befreit werden. Die über die richtlinienkonforme Heranziehung des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL vorgegebenen beiden Einschränkungen der Unerlässlichkeit und des Wettbewerbs müssen dabei beachtet werden. Allerdings brauchte der Senat sich im Streitfall nicht weiter dazu zu äußern, ob beide Merkmale kumulativ oder alternativ vorliegen müssen. Denn über keine der beiden Voraussetzungen konnte die Nebenleistung erreicht werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 18.8.2005, V R 20/03