Zur Duldungspflicht und Zustimmungspflicht des Vermieters hinsichtlich der mietereigenen Installation/Errichtung von "Balkonkraftwerken"/Photovoltaikanlagen des Mieters auf dem Balkon
Die nachfolgendenden Ausführungen enthalten eine ausführliche Diskussion über die bislang zu Balkon-PV-Anlagen ergangenen Urteile sowie die mietrechtliche Fachliteratur mit einer Einschätzung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Mediger, Justiziar des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. Unsere vorgenannten Anmerkungen wie auch das Schreiben von Herrn Dr. Mediger wurden mit bestem Wissen und Gewissen verfasst, ersetzen aber keine Rechtsberatung. Insbesondere übernimmt keine Partei Haftung für die Richtigkeit der Aussagen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Rechtsgutachten geht es mit Hinblick auf einige aktuelle Nachfragen aus unseren Mitgliedsunternehmen darum, ob und inwiefern ein Vermieter dazu verpflichtet ist, einem Mieter auf dessen Wunsch hin den Einbau/Aufbau eines "Balkonkraftwerks" (einer Photovoltaikanlage) zur Erzeugung von Strom zu genehmigen bzw. dessen Einbauwunsch zuzustimmen. Während es in der Rechtsprechung geklärt ist, dass ein Mieter grundsätzlich keinen Anspruch gegenüber dem Vermieter auf Modernisierung der Mietwohnung hat (BGH, Urteil vom 14.9.2011, VIII ZR 10/11), geht es hier also um die Frage, ob der Mieter gegenüber dem Vermieter einen Anspruch auf Zustimmung hat, auf eigene (Mieter-)Kosten ein Balkonkraftwerk/eine Photovoltaikanlage errichten/installieren zu dürfen.
In diesem Zusammenhang stellen sich als damit verbundene Fragen, auf welcher Rechtsgrundlage der Mieter ein solches Verlangen auf Zustimmung stützen könnte sowie, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen der Vermieter ein solches Verlangen auf Zustimmung ablehnen kann/könnte. Der Wunsch vieler Vermieter wäre es, derartige Zustimmungsverlangen aus verschiedenen (durchaus nachvollziehbaren) Gründen ablehnen zu können, vor allem mit Hinblick auf die teilweise erheblichen optisch nachteiligen Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Wohnanlage und eine etwaige von der PV-Anlage ausgehende Blendwirkung für die Nachbarn/anderen Mieter.
Ich habe die einschlägige Rechtsprechung und die mietrechtliche Kommentarliteratur speziell zu dieser Fragekonstellation, aber auch zu anderen "Einbauwünschen" von Mietern, geprüft und stelle im Nachfolgenden meine Ergebnisse und die aus meiner Sicht zu berücksichtigenden maßgeblichen Kriterien vor.
Besonderer Beachtung dürfte dabei ein aktuelles Urteil des AG Stuttgart vom 30. März 2021 zu 87 C 2283/20 zukommen. Das Gerichtsurteil greift viele der wesentlichen Gesichtspunkte auf. Es ist – im Ergebnis – für den Vermieter zwar als negativ anzusehen, enthält aber auch verschiedene Prüfsteine, die – je nach konkreter (anderer) Sachverhaltskonstellation – auch zulasten des Mieters ausgelegt werden können und daher in einem anderen Fall/Sachverhalt auch zu einer Ablehnung des Zustimmungsbegehrens des Mieters führen können. Zudem handelt es sich hier auch nur um ein amtsgerichtliches Urteil, wenngleich ein recht aktuelles.
Vorab erlaube ich mir den Hinweis, dass ich davon ausgehe, dass diese Fragenkonstellation und diese Thematik, dass Mieter auf eigene Kosten eine Photovoltaikanlage auf dem Mieterbalkon errichten wollen, wahrscheinlich in Zukunft angesichts der aktuellen Ereignisse und der Energieversorgungskrise noch zunehmen werden. Ich vermute, dass auch weitere Mieter auf derartige Ideen kommen werden und mit solchen Wünschen an ihre Vermieter herantreten werden. Das war bislang – so mein Kenntnisstand – nicht der Fall, dürfte aber jetzt durch die neueren Entwicklungen zunehmen. Ich werde diesen Themenkomplex daher auch zum Gegenstand der Tagesordnung meiner nächsten Sitzung des VNW-Fachausschusses Recht machen, der am 18. Mai 2022 das nächste Mal tagen wird. Dadurch lässt sich ein Erfahrungsaustausch der Unternehmen bewirken.
I. Einbau einer Photovoltaikanlage als bauliche Veränderung? Vertrags- und Rechtslage bei baulichen Veränderungen seitens des Mieters
Als allgemeine Meinung in der Rechtsprechung und Fachliteratur liegt eine bauliche Veränderung seitens des Mieters dann vor, wenn der Mieter über das ihm mietvertraglich zustehende Nutzungsrecht hinausgehend Maßnahmen vornimmt, die nach außen hin in Erscheinung treten oder die Interessen des Vermieters tangieren. Ein Eingriff in die Bausubstanz des Gebäudes ist für eine bauliche Änderung somit nicht unbedingt erforderlich, allerdings wird ein Eingriff in die Bausubstanz erst recht dazu führen, dass man von einer baulichen Veränderung ausgehen kann.
Dazu Blank/Börstinghaus, 6. Auflage 2020, Randnummer 519:
Zitat
… Unter einer baulichen Änderung/Veränderung ist eine Anlage oder Einrichtung zu verstehen, die für eine gewisse Dauer Bestand haben soll und die nach außen in Erscheinung tritt oder durch deren Anbringung die Interessen des Vermieters tangiert werden. Ein Eingriff in die Substanz des Gebäudes ist nicht erforderlich (AG Neukölln GE 2012, 691).
B...