Leitsatz
- Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm stellen im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Abweichend hiervon können Entgelte für frühere Arbeitsleistungen angenommen werden, wenn die Tatumstände ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge zusätzlich entlohnt werden sollten.
- Mehrjährigkeit erfordert, dass zwischen Einräumung und Erfüllung des Optionsrechts mehr als zwölf Monate liegen und der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum auch beschäftigt war.
- Der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht weder entgegen, dass wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden, noch, dass die jeweils gewährte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird.
Sachverhalt
Einer Arbeitnehmerin wurde 1991 von der Muttergesellschaft ihres Arbeitgebers das Recht auf Bezug von 325 Aktien eingeräumt. Das Recht war innerhalb von zehn Jahren, spätestens aber innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden auszuüben und zwar erstmals nach einem Jahr zu 25 %, danach – höchstens zweimal im Kalenderjahr – für eine beliebige Aktienzahl. In den Jahren 1993 und 1994 bezog die Arbeitnehmerin insgesamt 180 Aktien. Nach ihrem Ausscheiden im September 1996 nahm sie im August 1997 die restlichen 145 Aktien in Anspruch. Daraus ergab sich im Streitjahr 1997 ein geldwerter Vorteil von 108594 DM. Der Antrag, diesen nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern, hatte weder beim Finanzamt noch beim FG Erfolg. Auf die Revision gab der BFH dem Begehren statt.
Entscheidung
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung führen Vorteile aus Aktienoptionen nicht bei der Einräumung, sondern bei der Erfüllung zum Lohnzufluss (sog. Endbesteuerung). Dabei werden Aktienoptionen regelmäßig nicht als zusätzliche Bezahlung für bereits erbrachte Arbeit, sondern als Anreizlohn gewährt, um eine besondere Motivation für die Zukunft zu bewirken. Dementsprechend stellen sie im Regelfall eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar, wenn der Arbeitnehmer zwischen Einräumung und Erfüllung mehr als zwölf Monate beschäftigt war. Das typischerweise mit Aktienoptionen verfolgte Ziel der Bindung an das Unternehmen und der Motivation für die Zukunft tritt nur in den Hintergrund, wenn die Umstände des Einzelfalls ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge der Vergangenheit zusätzlich honoriert werden sollen.
Die Tarifermäßigung entfällt nicht, wenn wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden. Denn anders als bei Tantiemen, die normalerweise eine Zusatzentlohnung für das vergangene Kalender- oder Wirtschaftsjahr darstellen, geht in Vorteile aus Aktienoptionen der Wertzuwachs der Aktien der gesamten Laufzeit ein, weshalb jede Option eine Entlohnung für diese Laufzeit bewirkt. Es ist auch nicht geboten, die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG mangels Zusammenballung von Einkünften zu verneinen, wenn die Option nicht auf einmal, sondern in Etappen ausgeübt wird. Zwar wird bei den außerordentlichen Einkünften des § 34 Abs. 1 und 2 EStG, die aus abgeschlossenen Sachverhalten resultieren, der Begünstigungszweck verfehlt, wenn die Einkünfte entgegen ihrem Charakter auf mehrere Jahre verteilt werden. Bei Aktienoptionen steht die Höhe des Vorteils aber nicht von Anfang an fest und kann regelmäßig auch vom Arbeitnehmer nicht beeinflusst werden.
Praxishinweis
Das Urteil ist noch zur früheren Gesetzesfassung ergangen, in der die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in § 34 Abs. 3 EStG neben den außerordentlichen Einkünften des § 34 Abs. 2 EStG geregelt war. Nunmehr sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten ein Beispiel für außerordentliche Einkünfte. Das muss aber nicht zur Folge haben, dass die Tarifermäßigung wegen der Zusammenballung nur noch zu gewähren wäre, wenn die nämliche Option auf einmal und nicht in Etappen ausgeübt wird. Hierfür spricht insbesondere das Argument des Besprechungsurteils, dass damit eine Gleichbehandlung mit solchen Arbeitnehmern erreicht wird, die bei einer geringeren Anzahl von Optionsrechten und einheitlicher Ausübung die nämlichen geldwerten Vorteile erlangen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.12.2006, VI R 136/01