Leitsatz

  1. Eine Stiftung fördert auch dann die Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 AO, wenn sie ihre Zwecke ausnahmslos oder überwiegend im Ausland erfüllt (gegen BMF-Schreiben vom 20.9.2005, IV C 4 – S 0181 – 9/05, BStBl I 2005, S. 902) und ihre Förderung vorzugsweise auf die Jugend eines Staates (hier: der Schweiz) oder einer Stadt (hier: Bern) beschränkt ist.
  2. Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung nicht die ausdrückliche Verwendung der Begriffe "ausschließlich" und "unmittelbar" (ebenfalls gegen BMF-Schreiben vom 20.9.2005, IV C 4 – S 0181 – 9/05, BStBl I 2005, S. 902).
  3. Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 AO) ist bei einer staatlich beaufsichtigten Stiftung – jedenfalls im Grundsatz und innerhalb der EU – auch dann nach § 62 AO i.d.F. vor Änderung durch das JStG 2007 entbehrlich, wenn es sich um eine Stiftung ausländischen Rechts handelt, die der Stiftungsaufsicht eines EU-Mitgliedstaats unterfällt. Allerdings muss die ausländische Stiftungsaufsicht dem (Mindest-)Standard der Stiftungsaufsicht der deutschen Bundesländer entsprechen.
  4. § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996, wonach u.a. die Befreiung gemeinnütziger Körperschaften von der Körperschaftsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 1996 für beschränkt Steuerpflichtige i.S. von § 2 Nr. 1 KStG 1996 nicht gilt, ist gemeinschaftsrechtswidrig (Anschluss an EuGH-Urteil vom 14.9.2006, Rs. C-386/04, Centro di Musicologia Walter Stauffer, ABlEU 2006 Nr. C 281, S. 9).
 

Sachverhalt

Die italienische Stiftung S, die vor allem die Musikausbildung "junger Schweizer, vorzugsweise aus Bern" fördert, erzielte 1997 Einkünfte aus der Vermietung eines deutschen Grundstücks. Das Finanzamt setzte deshalb Körperschaftsteuer gegen S fest. Dagegen wendet S ein, sie sei gemeinnützig und daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit.

 

Entscheidung

Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG kommt nach dem Gesetzeswortlaut nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zugute. Der EuGH hat aber entschieden, dass diese Beschränkung nicht gegenüber Rechtssubjekten aus der EU gelten darf. Darauf kann sich S berufen.

Inhaltlich knüpft § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG an die §§ 51ff. AO an. Deren Voraussetzungen sind hier insoweit erfüllt, als der von S verfolgte Zweck gemeinnützig ist. Ebenso genügt die Satzung der S, auch wenn sie nicht ausdrücklich von einer "ausschließlichen" und "unmittelbaren" Förderung der Stiftungszwecke spricht, dem Maßstab des § 59 AO. Jedoch sind die Anforderungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung[1] nicht erfüllt. Das wäre wegen § 62 AO zwar unschädlich, wenn die italienische Stiftungsaufsicht im Kern der deutschen entspräche; das hat das FG aber nicht festgestellt. Auch ist unklar, ob die Geschäftsführung der S den Anforderungen des § 63 AO genügt, insbesondere ob S ihre Mittel zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet hat[2]. Daher wird die Sache zwecks Nachholung der noch notwendigen Feststellungen zurückverwiesen.

 

Praxishinweis

Es handelt sich um die Folgeentscheidung zu dem im vierten Leitsatz genannten EuGH-Urteil in der Rechtssache "Stauffer".

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 20.12.2006, I R 94/02

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