Leitsätze (amtlich)

  1. Bewohnen Ehegatten gemeinsam eine der Ehefrau gehörende Wohnung, nutzt die Ehefrau die Wohnung auch dann zu "eigenen" Wohnzwecken i.S. des § 10e EStG, wenn sie ihrem Ehemann ein dingliches Wohnungsrecht an der gesamten Wohnung bestellt hat.
  2. Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn er wegen Überschreitens der Einkunftsgrenze des § 10e Abs. 5a EStG nicht zur Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG berechtigt ist.
 

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Am 27.10.1993 erwarb die Klägerin von ihrem Vater eine Eigentumswohnung für 330 000 DM. In der notariellen Vertragsurkunde räumte die Klägerin dem Kläger ein lebenslanges Wohnungsrecht an dieser Wohnung ein, das am 28.12.1993 in das Grundbuch eingetragen wurde. Seit 22.12.1993 bewohnen die Kläger die Wohnung gemeinsam. Im Streitjahr 1993 machten die Kläger Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 48 935 DM, darunter ein Disagio von 7 900 DM, geltend. Die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG beantragten die Kläger wegen ihrer - die maßgebliche Einkunftsgrenze von 240000 DM nach § 10e Abs. 5a EStG übersteigenden - Einkünfte nicht. Das Finanzamt berücksichtigte die Vorkosten nicht, weil weder der Kläger noch die Klägerin die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Die Klägerin habe die Wohnung nicht aufgrund ihres Eigentums bewohnt, sondern aufgrund der Überlassung durch den Kläger, der als Inhaber des dinglichen Wohnungsrechts Nutzungsberechtigter gewesen sei. Der Kläger sei mangels Eigentums an der Wohnung nicht zum Vorkostenabzug berechtigt. Das FG wies die Klage ab[1]. Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Kläger als dinglich Wohnberechtigter kein wirtschaftlicher Eigentümer ist und deshalb keinen Anspruch auf den Abzug der vor Bezug entstandenen Aufwendungen als Vorkosten hat[2]. Jedoch steht der Klägerin als zivilrechtlicher Eigentümerin der Vorkostenabzug dem Grunde nach zu. Zu Unrecht hat das FG wegen des dem Kläger eingeräumten dinglichen Wohnungsrechts eine Nutzung der Wohnung zu "eigenen" Wohnzwecken der Klägerin verneint.

Nach der Rechtsprechung des Senats wird eine Wohnung im Regelfall zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 10e EStG genutzt, wenn der Eigentümer allein oder zusammen mit Familienangehörigen bzw. anderen in den Haushalt aufgenommenen Personen darin wohnt[3]. Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist als tatsächlicher Vorgang - Bewohnen durch den Eigentümer und die mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen - zu verstehen. Bei Nutzung einer Wohnung durch den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten hat der Senat das Merkmal Nutzung zu eigenen Wohnzwecken weit ausgelegt. Innerhalb der Ehegattengemeinschaft ist die Nutzung der Wohnung durch einen Ehegatten auch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des anderen Ehegatten anzusehen[4]. Zum Teil wird in der Rechtsprechung der FG und im Schrifttum ebenso wie in der Vorentscheidung die Auffassung vertreten, eine Nutzung zu "eigenen" Wohnzwecken erfordere neben der tatsächlichen Nutzung durch den Eigentümer und die mit ihm in einem Haushalt lebenden Personen, dass sich seine Nutzungsbefugnis aus seinem Eigentumsrecht ableite[5]. Der Senat teilt diese Auffassung jedenfalls nicht für diejenigen Fälle, in denen - wie im Streitfall - der Eigentümer-Ehegatte und der nutzungsberechtigte Ehegatte in der Wohnung einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Klägerin war Eigentümerin der Wohnung und hat tatsächlich darin zusammen mit ihrem Ehegatten, dem Kläger, gewohnt. Soweit ein Ehemann die der Ehefrau gehörende Wohnung mitbenutzt, ist der Ehefrau die Nutzung durch den Ehemann im Rahmen der Ehegattengemeinschaft als eigene zuzurechnen. Eheleute sind einander zum Unterhalt verpflichtet. Dazu gehört auch das zur Verfügungstellen von Wohnraum. Sichert der Eigentümer-Ehegatte den Anspruch des anderen Ehegatten durch Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechts ab, wäre es unangemessen anzunehmen, der Eigentümer-Ehegatte wohne nunmehr aufgrund der Gestattung des dinglich Nutzungsberechtigten.

2. Der Vorkostenabzug scheitert auch nicht daran, dass die Kläger im Streitjahr die für die Inanspruchnahme der Grundförderung maßgebliche Einkunftsgrenze des § 10e Abs. 5a EStG von 240000 DM überschritten haben. § 10e Abs. 6 EStG ist ein eigenständiger Begünstigungstatbestand, der unabhängig von der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 bis 5a EStG zu gewähren ist. Denn in Abs. 6 wird nicht gefordert, dass die Kosten für eine nach § 10e Abs. 1 bis 5a EStG begünstigte Wohnung aufgewendet wurden, sondern es wird nur das Entstehen der Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer "Wohnung i.S. des Absatzes 1" zu eigenen Wohnzwecken verlangt. Der Gesetzgeber hat in dem nachträglich eingefügten § 10e Abs. 5a EStG die Einkunftsgrenze von 240 000 DM a...

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