Rz. 427
Sofern die Gesellschafterversammlung nach dem GmbH-Gesetz die Aufgabe der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer hat (§ 46 Nr. 5 GmbHG), ist die Gesellschafterversammlung auch für den Abschluss und die Beendigung der Anstellungsverträge einschließlich der damit verbundenen Vertragsänderungen zuständig (sog. Annexkompetenz).
Rz. 428
Anstelle der gesetzlichen Regelung im GmbHG sieht der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH umfassend vor, dass zu den Aufgaben des Aufsichtsrats die Bestellung und die Abberufung ("Widerruf der Bestellung") der Geschäftsführer sowie der Abschluss, die Änderung, die Aufhebung oder die Kündigung der Anstellungsverträge gehört (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG; § 7 Abs. 2 Satz 1, 4, Abs. 3 GmbHG).
Rz. 429
Die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ist aber nur aus wichtigem Grund entsprechend den Regelungen des allgemeinen Dienstvertragsrechts möglich. § 626 Abs. 1 BGB schreibt vor, dass das Dienstverhältnis von jeder Vertragspartei aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Dies gilt dann, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Rz. 430
Ob konkret ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags eines Mitglieds der Geschäftsführung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Außerordentliche Kündigungsgründe können unter anderem sein:
- grob fahrlässige (ggf. wiederholte) Schlechterfüllung,
- Verstöße gegen Gesetz und Gesellschaftsvertrag,
- Organisations- und Informationspflichtverletzungen oder
- Verdacht strafbarer Handlungen.
- Die Geschäftsführer einer Wohnungsbaugesellschaft haben grob fahrlässig ihre Pflichten verletzt, indem sie leichtfertig und ohne Analyse der Bedingungen auf dem örtlichen Immobilienmarkt in großem Umfang in das Bauträgergeschäft eingestiegen sind. Aufgrund von Absatzschwierigkeiten sind der GmbH dadurch erhebliche Verluste entstanden.
- Die Geschäftsführer einer Immobiliengesellschaft haben Geschäftsunterlagen gefälscht und den Aufsichtsrat über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens getäuscht.
Rz. 431
Eine außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen (§ 626 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den Tatsachen erlangt, die für die Kündigung maßgebend sind (Abs. 2 Satz 2).
Rz. 432
In einer Entscheidung hat auch der BGH bestätigt, dass es für die Kenntnis der Tatsachen, die für die außerordentliche Kündigung (hier: eines Geschäftsführeranstellungsvertrags) maßgebend sind und deren Kenntnis die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB in Lauf setzt, auf den Wissensstand des Gremiums der Gesellschaft ankommt, das zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufen und bereit ist. "Kenntnis" im oben genannten Sinn liegt nach dem Urteil des BGH vor, wenn alles in Erfahrung gebracht wurde, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist.
Rz. 433
Wenn daher ein Geschäftsführer einer Wohnungsgesellschaft abberufen werden soll und die Gesellschafterversammlung nach dem Gesellschaftsvertrag über die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags entscheidet, kommt es für den Beginn der Zweiwochenfrist des § 626 BGB nicht auf die Kenntnis des Aufsichtsrats an. Der Aufsichtsrat muss allerdings nach Vorliegen der von ihm aufgrund seiner Sorgfaltspflicht in Erfahrung gebrachten Tatsachen (ggf. auch mit anschließender juristischer Beratung durch einen Rechtsanwalt) in einer angemessen kurzen Frist die Gesellschafterversammlung einberufen, um eine Entscheidung über die Kündigung des Anstellungsvertrags herbeizuführen. In solchen Fällen ist die Zweiwochenfrist noch nicht abgelaufen, weil die Gesellschafterversammlung als zuständiges Organ erst dann über maßgebende Umstände für eine Kündigung Kenntnis erlangt.
Geschäftsführer A hat die Mitglieder des Aufsichtsrats in einem Gespräch mit Geschäftspartnern schwer beleidigt. Nach Prüfung des Vorgangs und abschließender juristischer Beratung durch einen Rechtsanwalt wird innerhalb von drei Wochen eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen, um unter anderem eine Entscheidung über die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags des Mitglieds herbeizuführen. Die Zweiwochenfrist ist noch nicht abgelaufen, weil die Gesellschafterversammlung erst dann über die maßgebenden Umstände für eine Kündigung Kenntnis erlangt.
Rz. 434
Im Bereich der mitbestimmten GmbH ist die Kündigung des Anstellungsvertrags durch den nach § 31 MitbestG aufgrund der Annexkompetenz im Rahmen...