Rz. 885
Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter
Zum Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung gehört auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen (§ 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG). Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass es dem obersten Gesellschaftsorgan vorbehalten sein und nicht dem Entschluss der Geschäftsführer überlassen werden soll, ob ein Geschäftsführer oder Gesellschafter wegen Pflichtverletzung belangt und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse trotz der für Ansehen und Kredit der Gesellschaft möglicherweise abträglichen Wirkung in Kauf genommen werden soll. Da diese Gesichtspunkte auch zutreffen, wenn sich der Geschäftsführer nicht mehr im Amt befindet, ist § 46 Nr. 8 GmbHG auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen ausgeschiedenen Geschäftsführer gleichfalls anwendbar.
Rz. 886
Die Notwendigkeit, einen Beschluss gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG einzuholen, betrifft alle Ersatzansprüche der GmbH aus Pflichtverstößen im Rahmen der Gründung und der Geschäftsführung, das heißt, es kommt nicht auf die Rechtsgrundlage an. Es kann sich also nicht nur um Schadensersatzansprüche aus der Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG, sondern zum Beispiel auch um Ansprüche aus Deliktsrecht oder Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot handeln.
Rz. 887
Ein solcher Gesellschafterbeschluss ist materielles Erfordernis für die Geltendmachung der Forderung, sodass eine ohne Beschluss der Gesellschafter erhobene Klage wegen Fehlens einer materiellen Anspruchsvoraussetzung als unbegründet abzuweisen ist.
Rz. 888
In entsprechender Anwendung des § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG ist auch ein Beschluss der Gesellschafterversammlung einzuholen, wenn Ansprüche der GmbH gegen (aktive und ehemalige) Aufsichtsratsmitglieder und Mitglieder anderer (fakultativer) Organe geltend gemacht werden sollen.
Rz. 889
Im Gesellschaftsvertrag kann eine Regelung vereinbart werden, die von § 46 Nr. 8 GmbHG abweicht. Der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH sieht vor, dass die Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Gesellschafter beschließt (§ 19 Satz 2 Nr. 9 GV).
Rz. 890
Für den Abschluss einer D&O-Versicherung sowie die nachträgliche Übernahme der Prämien durch die GmbH ist analog § 46 Nr. 8 GmbHG im Innenverhältnis der Gesellschaft ebenfalls ein Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich.
Rz. 891
Sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat, vertritt dieser die GmbH gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG und § 112 AktG gegen die Geschäftsführer, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht. Auch soweit in der mitbestimmten GmbH § 112 AktG zwingend ist, ist die Bestellung eines besonderen Vertreters für die Prozessführung durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung möglich.
Rz. 892
Vertretung in Prozessen gegen Geschäftsführer
§ 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sieht vor, dass die Gesellschafterversammlung auch über die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, die sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat, beschließt. Die Regelung dient dem Zweck, dass die GmbH in Prozessen gegen (amtierende) Geschäftsführer handlungsfähig ist und unvoreingenommen ihre Interessen verfolgen kann. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift umfasst Aktiv- und Passivprozesse in allen Gerichtsbarkeiten und Schiedsverfahren;823 außerdem werden von der Alt. 2 alle Prozesse umfasst, das heißt, der Anwendungsbereich der Norm geht über § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG hinaus.
Rz. 893
Nach der Rechtsprechung des BGH gilt die Regelung des § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG auch für Prozesse gegen ehemalige Geschäftsführer. Für den Fall, dass die Gesellschafterversammlung jedoch von ihrer Kompetenz keinen Gebrauch macht, bleibt es nach der herrschenden Meinung bei der Vertretung der Vertretung durch die Geschäftsführer.