Rz. 959
Das Gesetz schreibt vor, dass die Gesellschafterversammlung – außer in den ausdrücklich bestimmten Fällen – einzuberufen ist, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint (§ 49 Abs. 2 GmbHG). Dieser Einberufungsgrund entspricht dem Fall der Einberufungspflicht des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 3 AktG. Abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ist zu entscheiden, ob der Gesellschaft ohne Abhaltung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung ein nicht unerheblicher Schaden droht. Eine außerordentliche Gesellschafterversammlung kann außerdem erforderlich sein, wenn die Geschäftsführung für die Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts, unter anderem aufgrund von Beschränkungen im Innenverhältnis, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung benötigt oder für sinnvoll erachtet. Anstelle der Einberufung einer förmlichen Gesellschafterversammlung kann auch (ggf. auch zunächst) versucht werden, eine Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren (§ 48 Abs. 2 GmbHG) durchzuführen.
Rz. 960
Einen Fall, in dem das Wohl der Gesellschaft die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung erfordert, hat der Gesetzgeber in § 49 Abs. 3 GmbHG ausdrücklich geregelt. Danach muss insbesondere die Versammlung unverzüglich berufen werden, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Lauf des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Der im Gesetz bezeichnete "Verlust der Hälfte des Stammkapitals" bedeutet, dass das Eigenkapital in der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz auf den halben Betrag des Stammkapitals absinkt und damit das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr der halben Stammkapitalziffer entspricht.
Rz. 961
Die Geschäftsführer sind außerdem, das heißt ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 GmbHG, zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung verpflichtet, wenn sie auch ohne Aufstellung einer Zwischenbilanz vom Verlust der Hälfte des Stammkapitals Kenntnis haben ("Bilanz im Kopf des Geschäftsführers"). Im Fall eines entsprechenden Verdachts sind sie verpflichtet, sich durch Aufstellung zumindest einer groben Zwischenbilanz zu vergewissern.
Rz. 962
Der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH sieht entsprechend der gesetzlichen Regelung vor, dass außerordentliche Gesellschafterversammlungen, abgesehen von den im Gesetz oder in diesem Vertrag ausdrücklich bestimmten Fällen, einzuberufen sind, wenn das im Interesse der Gesellschaft erscheint (§ 16 Abs. 1 GV). In § 16 Abs. 2 GV wird weiter zur Konkretisierung und über die Vorschrift des § 49 Abs. 3 GmbHG hinausgehend dazu ausgeführt, dass eine außerordentliche Gesellschafterversammlung unverzüglich einberufen werden muss, wenn
- sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Lauf des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist,
- die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder unter die zur Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats erforderliche Zahl sinkt (§ 13 Abs. 2 GV),
- die Bestellung eines Geschäftsführers widerrufen oder ein Aufsichtsratsmitglied abberufen werden soll,
- Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, in einer von ihnen unterschriebenen Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Einberufung der Versammlung verlangen.
Rz. 963
Die Verletzung der Einberufungspflicht führt zur Schadensersatzpflicht gemäß § 43 GmbHG und die Unterlassung der Verlustanzeigepflicht gegenüber den Gesellschaftern ist strafbar nach § 84 Abs. 1 GmbHG.