1 Die Gesellschafterversammlung als Organ der Wohnungs- und Immobiliengesellschaft
Rz. 822
Die Gesellschafterversammlung ist neben der Geschäftsführung ein gesetzlich vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft. Sie ist das oberste Organ der GmbH. Regelungen im Gesellschaftsvertrag, die diese Stellung beseitigen, sind unzulässig.
1.1 Bedeutung der Gesellschafterversammlung im Kompetenzgefüge der GmbH
Rz. 823
Das Verhältnis der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung und ggf. dem (in der Regel fakultativen) Aufsichtsrat einer GmbH und damit deren Bedeutung weist Besonderheiten gegenüber den Versammlungen der Eigentümer von Wohnungs- und Immobilienunternehmen anderer Rechtsformen auf, das heißt der Hauptversammlung einer AG und der Generalversammlung einer Wohnungsgenossenschaft.
Rz. 824
Im Genossenschaftsrecht hat der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 27 Abs. 1 Satz 1 GenG). Er hat allerdings die Beschränkungen zu beachten, die durch die Satzung festgesetzt wurden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 GenG). Abgesehen vom Ausnahmefall der Kleinstgenossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern mit einer entsprechenden Regelung in der Satzung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 GenG) kann nach heutiger wohl weit überwiegender und zutreffender Auffassung die Generalversammlung dem Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft keine rechtsverbindlichen Weisungen erteilen. Im Aktienrecht ist sogar ausdrücklich geregelt, dass die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden kann, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG).
Rz. 825
Die Vorschrift des § 52 Abs. 1 GmbHG verweist dagegen gerade nicht auf die Regelung des § 119 Abs. 2 AktG für den Fall, dass im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Vielmehr gilt im GmbH-Recht das Primat der Gesellschafter. Das bedeutet, dass die Eigentümer der Gesellschaft durch Beschluss der Geschäftsführung Beschränkungen in allen Angelegenheiten der Gesellschaft auferlegen können. Zudem ermöglicht das GmbH-Recht den Gesellschaftern ein (negatives) Vetorecht sowie ein (positives) Weisungsrecht im Hinblick auf Entscheidungen und Maßnahmen der Geschäftsführung. Hierin liegt in rechtlicher Hinsicht ein zentraler struktureller Unterschied zwischen der Wohnungs- und Immobiliengesellschaft mbH und den Wohnungs- und Immobilienunternehmen in den Rechtsformen der Genossenschaft und AG.
1.2 Umfang und Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag
Rz. 826
Das GmbH-Recht bietet Wohnungs- und Immobiliengesellschaften weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag. So besteht vor allem die Möglichkeit, den Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu erweitern sowie bestimmte Aufgaben von der Zustimmung anderer Organe der GmbH, anderer Gesellschafter oder ggf. sogar Außenstehender abhängig zu machen oder sie auf diese zu verlagern.
1.2.1 Überblick
Rz. 827
§ 45 Abs. 1 GmbHG sieht vor, dass die Rechte, die den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen, insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte, sowie die Ausübung derselben sich nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Erst wenn besondere Bestimmungen dazu im Gesellschaftsvertrag fehlen, finden die Vorschriften der §§ 46 bis 51 GmbHG Anwendung (§ 45 Abs. 2 GmbHG).
Rz. 828
"Rechte" im Sinne des § 45 Abs. 1 GmbHG in den Angelegenheiten der GmbH umfassen nur die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter. Mitgliedschaftsrechte lassen sich in Verwaltungs- oder Herrschaftsrechte und Vermögensrechte unterteilen. Unabhängig davon, ob die Regelung des § 45 Abs. 1 GmbHG alle Mitgliedschaftsrechte umfasst, können Vermögensrechte ebenso weitgehend im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Ergebnisverwendung (§ 29 GmbHG) sowie die Vermögensverteilung im Rahmen der Liquidation (§ 72 GmbHG).
Rz. 829
Zu den Verwaltungsrechten der einzelnen Gesellschafter gehören:
- das Stimmrecht,
- das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung,
- das Recht auf Geltendmachung von Mängeln der Gesellschafterbeschlüsse sowie im weiteren Sinn (und nicht bzw. nur eingeschränkt im Gesellschaftsvertrag regelbar)
- das Auskunfts- und Einsichtsrecht gemäß § 51a GmbHG und
- die Befugnis zur Erhebung von Gesellschafterklagen.
Rz. 830
Zu den "Rechten" im Sinne des § 45 Abs. 1 GmbHG gehören aber nicht (schuldrechtliche) Rech...