Leitsatz (amtlich)

Nach Ablauf der Feststellungsfrist kann eine gesonderte Feststellung gemäß § 181 Abs. 5 AO 1977 regelmäßig auch dann noch vorgenommen werden, wenn nur bei einem Feststellungsbeteiligten die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Offen bleibt, ob etwas anderes gilt, wenn der Erlass oder die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheides den Bilanzenzusammenhang betrifft oder zu einer Änderung der bisherigen Gewinnverteilung führt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 10.12.1992, IV R 118/90, BStBl II1994, S. 381 = INF 1993, S. 380).

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Kommanditist einer KG, die hohe, zu einem negativen Kapitalkonto führende Verluste erwirtschaftete. 1986 lehnte das Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG mangels Masse ab. 1993 erließ das Finanzamt einen Gewinnfeststellungsbescheid 1985 für die KG, in dem es dem Kläger den Wert des negativen Kapitalkontos i.H. von rd. 1,9 Mio. DM als laufenden Gewinn zurechnete. In gleicher Höhe stellte es einen Verlust der Komplementär-GmbH fest. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der KG sei ab 1985 mit einem Ausgleich des Kapitalkontos durch spätere Gewinnanteile nicht mehr zu rechnen gewesen. Der Bescheid enthält die Erläuterung: "Der Feststellungsbescheid 1985 ergeht gemäß § 181 Abs. 5 AO nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist und entfaltet somit nur noch Wirkung für solche Festsetzungen, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist". Zuvor hatte das Finanzamt festgestellt, dass hinsichtlich der Veranlagung der Komplementär-GmbH die Festsetzungsfrist abgelaufen war, wohingegen der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Veranlagung des Klägers infolge eines Einspruchs gehemmt war. Die Klage, mit der u. a. geltend gemacht wurde, dass der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid nicht mehr hätte ergehen dürfen, weil hinsichtlich der Veranlagung der Komplementär-GmbH die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei, blieb erfolglos. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Es ist umstritten, ob eine gesonderte Feststellung i.S. von § 181 Abs. 5 AO auch noch in den Fällen vorzunehmen ist, in denen nicht bei allen, wohl aber bei einzelnen Feststellungsbeteiligten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Senat hat diese Frage verneint[1]. Allerdings betrifft diese Entscheidung nur die Frage, ob § 181 Abs. 5 AO eine Bilanzberichtigung im "Fehlerjahr" gestattet, obwohl sich der berichtigte Bilanzansatz bei einem Feststellungsbeteiligten infolge des Ablaufs der Festsetzungsfrist in diesem Jahr nicht mehr auswirken kann. Nach erneuter Prüfung schränkt der Senat die allgemein gehaltenen Erwägungen in diesem Urteil ein. Er sieht den Ablauf der Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 5 AO jedenfalls dann nicht mehr als Hindernis für den erstmaligen Erlass oder die Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheides an, wenn den Gesellschaftern, bei denen die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, aus dem Gewinnfeststellungsbescheid keine Nachteile erwachsen können.

Durch § 181 Abs. 5 AO soll verhindert werden, dass die rechtliche Verselbstständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu materiell unrichtigen Steuerfestsetzungen führt, obwohl die entsprechenden Steuern noch nicht verjährt sind[2]. Wollte man eine Gewinnfeststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist bereits dann für unzulässig halten, wenn nur bei einem Feststellungsbeteiligten die Festsetzungsfrist verstrichen wäre, würde das bei den Steuerpflichtigen, deren Folgesteuern noch nicht verjährt sind, zu ungerechtfertigten Vorteilen führen. Umgekehrt erleiden i. d. R. diejenigen Feststellungsbeteiligten, bei denen hinsichtlich der Folgesteuern die Festsetzungsfrist bereits eingetreten ist, aus dem nachträglichen Erlass eines einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheides keinen Nachteil. Eine Steuerfestsetzung, die zu höheren Steuern führen könnte, ist nicht mehr möglich. Allerdings kann es sein, dass die Gewinnfeststellung bei solchen Feststellungsbeteiligten in Folgejahren zu Nachteilen führt. Das ist immer dann der Fall, wenn der Bilanzenzusammenhang betroffen wird. Wird für das Wirtschaftsgut einer Gesellschaft der Bilanzansatz im Wege der Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung in dem Jahr, für das bei einem Feststellungsbeteiligten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, erhöht oder vermindert, so verändert sich in den folgenden Jahren die AfA-Bemessungsgrundlage. In solchen Fällen muss eine Benachteiligung dieses Feststellungsbeteiligten vermieden werden[3]. Der Senat neigt deshalb dazu, in solchen Fällen an den bisher aufgestellten Grundsätzen[4] festzuhalten.

Jedenfalls kann die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung dann durchgeführt werden, wenn es sich bei dem Gesellschafter, dessen Gewinn sich durch die nach Ablauf der Feststellungsfrist vorgenommene Gewinnfeststellung vermindert, um eine Kapitalgesellschaft hand...

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