Leitsatz
Auch bei der Gestellung einheitlicher, während der Arbeitszeit zu tragender bürgerlicher Kleidungsstücke kann das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers im Vordergrund stehen bzw. ein geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers zu verneinen sein.
Sachverhalt
Die zu einem Lebensmitteleinzelhandelskonzern gehörende Klägerin nutzte gemeinsam mit weiteren Konzerngesellschaften Ladenlokale für den Vertrieb von Back-, Fleisch- und Wurstwaren sowie als "Postshops". Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin aufgrund von Betriebsvereinbarungen Kleidungsstücke angeschafft und den Mitarbeitern kostenlos überlassen hatte. Der Prüfer nahm an, die Überlassung der Kleidung, die er nicht als typische Berufskleidung ansah, weil sie weder dem Schutz diente, noch ein Firmenemblem trug, führe zu Arbeitslohn. Im Prüfungszeitraum 1996 bis 2000 ist derartige Bekleidung zum Preis von 136800 DM angeschafft worden, nämlich Pullunder, Strickjacken, Damenjacken, Krawatten und Halstücher für 125 Filialleiter bzw. Filialleiterinnen sowie Pullunder, Strickjacken, Hemden bzw. Blusen, Tücher und Krawatten für Beschäftigte in den Postshops. Dem Prüfer folgend forderte das Finanzamt hierfür nach § 40 Abs. 1 EStG pauschalierte Lohnsteuer in Höhe von 76780 DM nach. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt. Der BFH wies die Revision zurück.
Entscheidung
Der BFH legt nochmals die Kriterien dar, nach denen abgegrenzt wird, ob ein Vorteil "für" Arbeitsleistung i.S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gewährt wird, also Lohncharakter hat, oder ob dies nicht der Fall ist, weil betriebsfunktionale Zielsetzungen im Vordergrund stehen. Danach hat das FG Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme und die besondere Geeignetheit des Vorteils für den verfolgten betrieblichen Zweck zu würdigen. Dabei ist die Wechselwirkung zwischen Intensität der eigenbetrieblichen Zielsetzung und Ausmaß der Bereicherung der Arbeitnehmer zu beachten. Der BFH ist der Ansicht, dass das FG ausgehend von diesen Grundsätzen zu einer vertretbaren Einzelfallwürdigung gekommen ist. Maßgebend ist dabei, dass keine Individualbekleidung, sondern eine mit dem Betriebsrat abgestimmte Gemeinschaftsausstattung zu beurteilen war, mit der ein einheitliches Erscheinungsbild aller Mitarbeiter gewährleistet werden sollte. Bedeutsam ist auch, dass die in gewisser Weise uniformähnlichen, auch aus hygienischen Gründen angeschafften Kleidungsstücke weder besonders exklusiv noch teuer waren.
Praxishinweis
Da Arbeitslohn vorliegt, wenn der Arbeitgeber Bekleidungsaufwand des Arbeitnehmers trägt, konnte Arbeitslohn hier nur wegen der weiteren Zielsetzung der Verbesserung der corporate identity durch ein einheitliches Erscheinungsbild verneint werden. Zur Verfolgung dieses Zieles wäre Bekleidung mit Emblemen des Arbeitgebers oder zumindest eine identische Ausstattung für alle Betroffenen besonders geeignet gewesen. Da hierauf verzichtet wurde, lag es eigentlich näher, das damit einhergehende eigene Interesse der Arbeitnehmer, für einen Teil ihrer Bekleidung nicht selbst aufkommen zu müssen, als nicht vernachlässigbar anzusehen. Dagegen reicht es dem BFH, dass die Kleidungsstücke "in gewisser Weise uniformähnlich" waren, was immer das heißt. Es wird auch nicht erklärt, warum die überlassenen Jacken, Pullunder, Blusen, Hemden usw. der Hygiene mehr entsprechen sollten als Kleidungsstücke dieser Art, die der Arbeitnehmer selbst bezahlt hat. Das erkennbare Interesse des BFH, den Lohnbegriff insofern einzuengen, lässt sich nicht mit dem zuvor als maßgebend benannten Kriterium vereinbaren, dass das genannte Mittel für den verfolgten Zweck besonders geeignet sein müsse. Dadurch ist die Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im eigenbetrieblichen Interesse nicht gerade einfacher zu handhaben.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.6.2006, VI R 21/05