BGB § 823 Abs. 1; ProdHaftG § 1
- Ein Schadensersatzanspruch gegen den Betreiber und/oder den Hersteller einer UMTS/GSM-Mobilfunksendeanlage kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn durch den Betrieb der Anlage die nach der 26. BImSchV geltenden Grenzwerte nicht überschritten werden.
- Die jeweiligen Ansprüche verjähren in 3 Jahren. Die Verjährung beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte von der Gefährdung seiner Gesundheit und der Person des Betreibers/Herstellers der Anlage Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(Leitsätze der Redaktion)
Im November 2003 wurde auf dem Dach eines Gebäudes eine UMTS/GSM-Mobilfunksendeanlage errichtet und in Betrieb genommen. Die für die Errichtung der Anlage erforderliche Baugenehmigung hatte die Behörde erteilt. Außerdem lag eine sog. Standortbescheinigung vor, wonach die für den Betrieb solcher Anlagen geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV nicht nur eingehalten, sondern wesentlich unterschritten wurden. Die Eigentümer und Bewohner eines benachbarten Einfamilienhauses (ein Ehepaar mit 4 Kindern im Alter zwischen 1 und 13 Jahren) klagten in der Folgezeit über gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sie auf die von der Anlage ausgehenden Strahlenbelastung zurückführten. Sie versuchten zunächst, diesem Umstand durch verschiedene Umbaumaßnahmen abzuhelfen. Im Dezember 2004 verlegten sie ihren Wohnsitz in eine Mietwohnung. Eine Weitervermietung des Einfamilienhauses gelang nicht.
Im April 2011 erhoben die Eigentümer des Einfamilienhauses Klage auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes gegen den Betreiber der Anlage und gegen deren Hersteller. Diese hatte allerdings keinen Erfolg.
1. Haftung des Betreibers der Anlage
In Betracht kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Insoweit gilt, dass der Betreiber einer Mobilfunksendeanlage dafür einstehen muss, dass durch den Betrieb der Anlage kein Dritter verletzt oder gefährdet wird. Der Verkehrssicherungspflichtige wird nicht bereits dadurch entlastet, dass für die Errichtung der Anlage und deren Betrieb behördliche Genehmigungen vorliegen, weil solche Genehmigungen "unbeschadet der privaten Rechte Dritter" erteilt werden. Jedoch ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Anlage verkehrssicher ist, wenn die nach den einschlägigen Immissionsschutzgesetzen maßgeblichen Grenzwerte nicht überschritten werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 13.2.2004, V ZR 217/03) kann sich zwar im Einzelfall (aufgrund besonderer Umstände) gleichwohl ergeben, dass trotz Einhaltung der Grenzwerte eine Gesundheitsgefährdung besteht. Solche Umstände können vorliegen, wenn wissenschaftlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der Grenzwerte in Erwägung zu ziehen sind oder wenn ein wissenschaftlich fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung besteht.
Nach Ansicht des BGH ist es der Wissenschaft und Forschung bislang nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass durch elektromagnetische Felder bei Einhaltung der Richtwerte Gesundheitsschäden auftreten können. Der Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit sei bisher zwar ebenfalls nicht erbracht. Das Risiko der Gesundheitsgefährdung habe der Gesetzgeber dem Beeinträchtigten (also den Anwohnern) auferlegt, was mit dem Grundgesetz vereinbar sei (BVerfG, NJW 2002 S. 1638).
Der BGH hat diese Grundsätze vor fast 10 Jahren entwickelt. Dies führt zu der Frage, ob zwischenzeitlich Erkenntnisse vorliegen, aufgrund derer die Grenzwerte der 26. BImSchV überholt sind. Dies wird vom Gericht verneint. Im Übrigen verweist es auf den Beschluss des BVerfG vom 28.2.2002 (1 BvR 1676/01), in dem ausgeführt wird, dass es nicht Sache der Gerichte, sondern des "Verordnungsgebers (ist), den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können."
2. Haftung des Herstellers
Nach § 1 Abs. 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) haftet der Hersteller auf Schadensersatz, wenn "durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt" wird.
Für die Beurteilung einer Mobilfunksendeanlage gelten letztlich die zur Verkehrssicherungspflicht des Betreibers maßgeblichen Kriterien. Es kommt also auch hier darauf an, ob die Anlage so zu betreiben ist, dass Gefährdungen Dritter unwahrscheinlich sind. Dies ist bei Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte zu bejahen.
3. Verjährung
Die Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB verjähren in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte eine Gesundheitsgefährdung in Erwägung zieht und er die Person des Betreibers kennt.
Hier begann die Verjährung Anfang 2005 und endete mit dem Ablauf des Jahres 2007, also lange vor der Klageerhebung.
Der Anspruch nach § 1 ProdHaftG verjährt ebenfalls in 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzberechtigte von dem Schaden, dem Fehler und v...