Leitsatz
Auch im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer ist die Frage, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist, für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen.
Sachverhalt
Eine Ehefrau wurde für das Streitjahr 1991 zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 1996 ordnete das Finanzamt allein gegenüber dem Ehemann eine Betriebsprüfung an, deren Ergebnisse u.a. zu einem im Jahr 1998 gegenüber den Ehegatten erlassenen geänderten Einkommensteuerbescheid 1991 führten. Die dagegen von den Eheleuten erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab. Die Revision hatte insoweit Erfolg, als sie von der Ehefrau eingelegt wurde.
Entscheidung
Der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid 1991 durfte nicht mehr erlassen werden, soweit er sich gegen die Ehefrau richtet. Denn ihr gegenüber war die Festsetzungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres 1996 verstrichen, weil die Prüfungsanordnung allein gegenüber dem Ehemann ergangen war und daher gegenüber der Ehefrau keine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO entfalten konnte. Die somit nur gegenüber dem Ehemann eingetretene Ablaufhemmung kann der Ehefrau auch nicht deswegen zugerechnet werden, weil die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zusammenveranlagte Ehegatten gemäß § 26b EStG unbeschadet der individuellen Ermittlung der jeweiligen Einkünfte in Bezug auf das gemeinsame Einkommen und die hierdurch ausgelöste Einkommensteuerschuld als ein Steuerpflichtiger behandelt werden. Denn beide Eheleute sind jeweils für sich eigenständige Steuersubjekte.
Praxishinweis
Dem Besprechungsurteil ist m.E. zuzustimmen. Es führt freilich zu dem (misslichen) Ergebnis, dass die Einkommensteuer gegenüber den Ehegatten trotz deren Zusammenveranlagung in unterschiedlicher Höhe festgesetzt wird. Dazu kann es aber auch in anderen Fällen kommen, insbesondere dann, wenn nur einer der zusammenveranlagten Ehegatten gegen den Einkommensteuerbescheid erfolgreich einen Rechtsbehelf einlegt. In diesem Fall lehnt es der BFH in ständiger Rechtsprechung ab, dass der auf den Rechtsbehelf verzichtende Ehegatte zum Einspruchs- oder Klageverfahren notwendig hinzuzuziehen oder beizuladen ist.
§ 26b EStG, dessen Wortlaut zugegebenermaßen missverständlich ist, führt nicht etwa dazu, dass die zusammenveranlagten Ehegatten als ein Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Sie sind vielmehr schuldrechtlich jeweils für sich Einkommensteuersubjekt und (Inhalts-)Adressat des Einkommensteuerbescheids, der unbeschadet der äußerlichen Verbindung als zusammengefasster Bescheid kein einheitlicher Verwaltungsakt ist, sondern eine Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Verwaltungsakte.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 25.4.2006, X R 42/05