Leitsatz
Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird personenbezogen gewährt; er steht dem Steuerpflichtigen für alle Gewinneinkunftsarten nur einmal zu.
Sachverhalt
Der Kläger K ist Arzt und war an einer Praxisgemeinschaft beteiligt. Daraus erzielte er 1997 einen Veräußerungsgewinn von 50.000 DM. Obwohl er dies nicht beantragt und die Voraussetzungen nicht erfüllt hatte, wurde ihm der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG gewährt. Für einen im Jahr 2003 erzielten Veräußerungsgewinn beantragte K erneut den Freibetrag. Dies lehnten Finanzamt und FG ab. Der BFH sah dies ebenso und wies die Revision zurück.
Entscheidung
Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er dauernd berufsunfähig, wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er den Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren. Dieser Grundsatz gilt absolut und damit einkünfteübergreifend. Der Freibetrag wird damit von einem Gewerbetreibenden auch verbraucht, wenn er ihn bei der Aufgabe oder Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebs oder einer freiberuflichen Praxis beansprucht. Sowohl § 14 Satz 2 EStG als auch § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG beinhalten insoweit keine Rechtsfolgen- sondern eine Rechtsgrundverweisung.
Diese Auffassung beruht auf dem Sinn und Zweck der Umgestaltung des § 16 Abs. 4 EStG von einem betriebs- in einen personenbezogenen Freibetrag. Es ist folgerichtig, § 16 Abs. 4 EStG einkunftsartenübergreifend und damit personenbezogen zu betrachten. § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG gewährt den Freibetrag "dem Steuerpflichtigen" nur einmal für alle Gewinneinkunftsarten. Es wäre sinnwidrig, einem Steuerpflichtigen, der mehrere Gewerbebetriebe veräußert oder aufgibt, die mehrfache Gewährung des Freibetrags zu versagen, einem anderen Steuerpflichtigen, dessen Betriebe unterschiedlichen Einkunftsarten zuzuordnen sind, den Freibetrag aber mehrfach zu gewähren.
Für den "Verbrauch" des Freibetrags kommt es nach § 16 Abs. 4 EStG nicht darauf an, ob er zu Recht gewährt wurde oder nicht. Entscheidend ist allein, dass sich der Freibetrag auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Soll der Freibetrag für einen späteren Veräußerungsgewinn in Anspruch genommen werden, muss der Steuerpflichtige die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm der Freibetrag trotz Fehlens eines Antrags bzw. weiterer gesetzlicher Voraussetzungen gewährt wurde. Nach Treu und Glauben muss er sich den Verbrauch des Freibetrags allenfalls dann nicht entgegenhalten lassen, wenn für ihn angesichts der geringen Höhe des Freibetrags und des fehlenden Hinweises in den Erläuterungen nicht erkennbar war, dass das Finanzamt den Freibetrag ohne Antrag angesetzt hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 21.7.2009, X R 2/09.