Leitsatz

Die Haftungsbeschränkung für Minderjährige nach § 1629a BGB ist wie die Beschränkung der Erbenhaftung im Wege der Einrede geltend zu machen; die Einrede kann weder im Steuerfestsetzungsverfahren noch gegen das Leistungsgebot im ESt-Bescheid, sondern nur im Zwangsvollstreckungsverfahren erhoben werden. Ein Vorbehalt der Haftungsbeschränkung ist in das die Steuerfestsetzung betreffende Urteil nicht aufzunehmen.

 

Sachverhalt

Der 1979 geborene A war aufgrund unentgeltlicher Übertragung eines Geschäftsanteils von 16/50 seit November 1982 Gesellschafter der G-GmbH. Weitere Gesellschafter waren seine Schwestern B und C. Da die GmbH weder KSt-Erklärungen noch Jahresabschlüsse einreichte, schätzte das Finanzamt die in den Streitjahren 1983 und 1984 erzielten Gewinne und nahm an, diese seien verdeckt an A und seine Schwestern ausgeschüttet worden. Die KSt-Bescheide 1983 und 1984 sind (nach einem Klageverfahren) bestandskräftig. Der Rezensionsfall betrifft die in den ESt-Bescheiden für die Streitjahre dem A zugerechneten Anteile an den verdeckten Gewinnausschüttungen. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab; die Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat eine verdeckte Gewinnausschüttung bejaht. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören Dividenden und sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH; dazu zählen auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Da A aufgrund der Übertragung der Geschäftsanteile in den Streitjahren Gesellschafter der GmbH war, hat das Finanzamt – so die Auffassung des BFH – ihm die auf seine Geschäftsanteile entfallende verdeckte Gewinnausschüttung zutreffend zugerechnet. Dass die verdeckte Gewinnausschüttung den Eltern des A wegen der ihnen obliegenden Vermögenssorge zugeflossen ist und gegebenenfalls – zulässigerweise[1] – für den Unterhalt des A und der Familie verbraucht wurde, steht dem nicht entgegen. Denn den Zufluss beim gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter muss A gegen sich gelten lassen.

Im Revisionsverfahren ging es daher vorrangig um die Frage, ob § 1629a BGB die Haftung für Verbindlichkeiten, die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht mit Wirkung für ihr Kind begründet haben, auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen des Kindes beschränkt.

Grundsätzlich ist § 1629a BGB zwar auch auf Verpflichtungen anzuwenden, die vor Eintritt der Volljährigkeit entstanden sind. Ob die Haftungsbeschränkung auch für Steuerschulden des Minderjährigen gilt, die auf Handlungen der Eltern oder auf Handlungen von Personen beruhen, die mit Einwilligung der Eltern für das Kind gesellschaftsrechtliche Vertretungsmacht ausüben, musste der BFH aber offen lassen. Denn im Streitfall konnte die Haftungsbeschränkung nicht berücksichtigt werden, weil sie nach Zivilrecht wie die Beschränkung der Erbenhaftung im Wege der – zeitlich unbefristeten – Einrede geltend zu machen ist[2]. Für diese Haftung kann deshalb auch nach Steuerrecht nichts anderes als für die beschränkte Erbenhaftung gelten, die weder im Steuerfestsetzungsverfahren noch gegen das im ESt-Bescheid ausgesprochene Leistungsgebot, sondern allein im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemacht werden kann[3].

Den Hilfsantrag, in das Urteil den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung auf das im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit vorhandene Vermögen des A aufzunehmen, hat der BFH ebenfalls abgelehnt. Insoweit gelte nichts anderes als für die Beschränkung der Erbenhaftung. Auch wenn nicht ausdrücklich geregelt sei, wie die Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen ist, bedürfe es hierzu keines Ausspruchs im Urteil, denn zur Geltendmachung der Einrede genüge eine formlose Erklärung des Vollstreckungsschuldners gegenüber der Vollstreckungsbehörde.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt, dass der mit dem Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger vom 25.8.1998[4] in das BGB eingefügte § 1629a grundsätzlich auch auf Verpflichtungen anzuwenden ist, die vor Eintritt der Volljährigkeit entstanden sind. Nach Auffassung des BFH ist die Haftungsbeschränkung – wie die Beschränkung der Erbenhaftung – im Wege der zeitlich unbefristeten Einrede geltend zu machen. Da das hier unterblieben war, musste der BFH die Frage, ob § 1629a BGB auch für Steuerschulden Minderjähriger gilt, die auf Handlungen der Eltern bzw. der gesetzlichen Vertreter beruhen, dahingestellt lassen. Der Hinweis auf die gebotene weite Auslegung der Vorschrift entsprechend ihrer Zielsetzung, dem Kind den Start in die Volljährigkeit ohne Schulden zu ermöglichen, deutet aber darauf hin, dass der BFH diese Frage bejahen würde.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 01.07.2003, VIII R 45/01

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