Zusammenfassung

Der genossenschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt "nur" eine willkürfreie Gleichbehandlung der Mitglieder. Wenn sachliche Kriterien vorliegen, kann die eG unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung tragen und ggf. die Mitglieder auch im Rahmen von Mieterhöhungen unterschiedlich behandeln.

1 Sachverhalt

Ein Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft bewohnte aufgrund eines Dauernutzungsvertrags eine Wohnung aus deren Bestand. Infolge von Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub wegen des Austauschs von Fenstern und Sanierungsarbeiten an den Balkonen minderte das Mitglied als einziger Bewohner der Wohnanlage die Miete. Die Genossenschaft wies die Mietminderung zunächst als unverhältnismäßig zurück und teilte dem Mitglied weiter mit, dass er als Genossenschaftsmitglied Teil einer Solidargemeinschaft sei. Auf dem freien Wohnungsmarkt würden die Bewohner unmittelbar im Anschluss an die Baumaßnahmen eine Mieterhöhung erhalten. Die Genossenschaft würde davon aber in der Regel auch deshalb absehen, da man sich der Beeinträchtigungen der Mitglieder während der Bauphase bewusst sei. Mitglieder, die auf ihrem Mietminderungsrecht bestehen, müssten aber mit einer Erhöhung der Nutzungsgebühr unmittelbar nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen rechnen. Die Vornahme der Mietminderung widerspreche dem genossenschaftlichen Grundgedanken. Das Mitglied bestand jedoch auf seinem Mietminderungsrecht. Dies akzeptierte daraufhin die Genossenschaft und verlangte die Zustimmung des Mitglieds zu einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB u.a. unter Berücksichtigung von Zuschlägen für die neuen Isolierglasfenster.

2 Urteilsgründe

Der BGH hat als Revisionsinstanz bestätigt, dass die eG gegenüber dem Mitglied einen Anspruch auf Zustimmung zu der Mieterhöhung hat. Das Mieterhöhungsverlangen verstößt nach Ansicht des Gerichts weder gegen das genossenschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot noch gegen die genossenschaftsrechtliche Treuepflicht des Mitglieds oder gegen die Satzung.

Nach der Urteilsbegründung gilt der genossenschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur für die Beziehungen, die sich zwischen der eG und dem Mitglied aus der Mitgliedschaft ergeben, sondern auch für die Rechte und Pflichten, die aus der Inanspruchnahme von Einrichtungen der Genossenschaft für die einzelnen Mitglieder folgen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt danach im genossenschaftlich geprägten Mietverhältnis eine Behandlung der Genossenschaftsmieter, die willkürfrei, d. h. auf sachlich nachvollziehbare Kriterien gestützt ist. Nach Ansicht des BGH können daher die eG und ihre Organe unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise differenzieren.

Ein Mieter kann – obwohl das Mietminderungsrecht unabdingbar ist (§ 536 Abs. 4 BGB) – auf eine konkrete Mietminderung, die aus einem bestimmten Anlass berechtigt ist, verzichten. Das Mitglied hatte im vorliegenden Fall die Wahl zwischen einer berechtigten Mietminderung und dem freiwilligen Verzicht der Genossenschaft auf eine zulässige Mieterhöhung. Nach Auffassung des BGH liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn sich die eG gegenüber dem Mitglied ebenso wie gegenüber den übrigen Mitgliedern verhielt, die vor der gleichen Wahl standen. Da sich das Mitglied als einziges für eine Mietminderung entschied, konnte es nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den übrigen Mitgliedern zusätzlich verlangen, in den Genuss des Verzichts der eG auf die zulässige Mieterhöhung zu kommen.

BGH, Urteil v. 14.10.2009, VIII ZR 159/08, NZM 2010, S. 121

 
Praxis-Tipp

Wenn eine unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern geboten oder sogar notwendig erscheint, sollten die Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sorgfältig beachtet und geprüft werden. Eine Entscheidung ist gerade in solchen Fällen abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.

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