Seniorenheimbetreiber sind laut einer Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht zur ständigen Beaufsichtigung einer demenzkranken Heimbewohnerin verpflichtet.
Krankenversicherer verlangt Schadensersatz
Eine Krankenversicherung verlangte von der beklagten Betreiberin eines Altenpflegeheimes Schadensersatz im Zusammenhang mit der Behandlung der bei ihr versicherten Geschädigten. Die Beklagte betreute in ihrem Heim auch demenzkranke Bewohner. Es handelte sich um eine offene Einrichtung, weshalb kein geschützter oder geschlossener Bereich, den die Heiminsassen nicht verlassen könnten, vorhanden war. Hierfür hatte sich die Tochter der Geschädigten, die ihre Betreuerin ist, bewusst entschieden.
Weglauftendenzen
Die Geschädigte lebte seit dem 24.11.2009 in der Einrichtung der Beklagten. Sie litt u. a. an Demenz, Osteoporose und Arthrose und war in die Pflegestufe II eingruppiert. Sie war desorientiert, litt unter Gleichgewichtsstörungen und hatte Weglauftendenzen. Sie konnte sich mit einem Rollator selbstständig fortbewegen, bedurfte aber wegen der Orientierungsstörung, beispielsweise beim Aufsuchen des Speisesaals, einer Begleitung.
Armfraktur
Eines Tages verließ die Geschädigte die Einrichtung der Beklagten unbemerkt und wurde auf dem Straßenboden sitzend aufgefunden. Sie war gestürzt und hatte eine Armfraktur erlitten, die eine zweiwöchige Krankenhausbehandlung erforderlich machte.
Das OLG Düsseldorf lehnte einen auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzanspruch ab.
Begrenzte Obhutspflichten
Die dem Betreiber eines Seniorenheims obliegenden Obhutspflichten sind laut OLG begrenzt auf die Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind und die die Würde, die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung der Bewohner wahren.
Ständiger "Aufpasser" nicht erforderlich
Auch im Fall einer demenzkranken und an einer Gleichgewichtsstörung leidenden Bewohnerin mit Weglauftendenzen, die sich nur mithilfe eines Rollators fortbewegen kann, aber von ihrer Betreuerin bewusst in einer offenen Einrichtung untergebracht worden ist, kann nicht verlangt werden, dass ihr durchgängig ein "Aufpasser" zur Seite gestellt wird.
Der Betreiber des Heims handelt auch nicht pflichtwidrig, wenn er in Abstimmung mit der Betreuerin davon absieht, die Bewohnerin mit einem Weglaufarmband zu versorgen, weil sie ohnehin lediglich etwa 50 m ohne fremde Hilfe zurücklegen kann.
Allgemeines Lebensrisiko
Kommt die Bewohnerin daher zu Fall und erleidet Frakturen, weil sie sich unbegleitet fortbewegt hat, so verwirklicht sich ihr allgemeines Lebensrisiko. Das hat der gesetzliche Krankenversicherer – so das Gericht – ebenso hinzunehmen wie er es zu akzeptieren hat, wenn ein jüngerer Versicherter eine Risikosportart ausübt und sich dadurch einem erhöhten Verletzungsrisiko aussetzt.
Weder dargelegt noch ersichtlich war, dass eine Pflegekraft der Beklagten sich am Tag des Unfallgeschehens fehlerhaft oder unaufmerksam verhalten hätte.
(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.5.2016, I-24 U 7/16)