Leitsatz
Ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz im französischen und mit Arbeitsort im inländischen Grenzgebiet, der an mehr als 45 Arbeitstagen außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist, unterfällt nicht als Grenzgänger gemäß Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich der französischen Besteuerung. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass zu den Tagen der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nur ganze Arbeitstage zählen und dass es weder darauf ankommt, in welchem Umfang der Arbeitnehmer außerhalb der Grenzzone tätig ist, noch ob und in welchem Umfang ihm der Arbeitgeber für eine Dienstreise außerhalb der Grenzzone ein Tagegeld gewährt.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist Deutscher und wohnte von 1.4. bis 31.12. 1999 in Frankreich im deutsch-französischen Grenzgebiet. Er war in dieser Zeit an 206 Arbeitstagen in Deutschland als Arbeitnehmer tätig. Lohnsteuer wurde nicht einbehalten, da eine Freistellungsbescheinigung vorlag. Nach einer Außenprüfung wurde die Freistellung widerrufen und ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid erlassen. Der Antragsteller sei an 52 Tagen außerhalb der Grenzzone tätig gewesen, darunter neun Tage mit Dienstreisen von mehr als 12 Stunden sowie ein Samstag und zwei Sonntage mit dienstreisebedingter Abwesenheit. Über den Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid ist noch nicht entschieden, dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das FG statt. Der BFH wies die Beschwerde des Finanzamts zurück.
Entscheidung
Die Grenzgängereigenschaft geht bei einem Arbeitnehmer, der nicht während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist, nicht verloren, wenn er in dieser Zeit höchstens an 20 % der gesamten Arbeitstage, jedoch in keinem Fall an mehr als 45 Tagen, nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist. Die Finanzverwaltung zählt zu den Tagen der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone auch solche, an denen ein Arbeitnehmer sich auf einer Dienstreise außerhalb der Grenzzone befindet. Halte er sich dort nicht während des ganzen Tages auf, so zählten solche Tage als Tage der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone, wenn der Arbeitgeber dem Grenzgänger hierfür ein volles Tagegeld gewähre. Dies gelte jedoch nicht, wenn sich die Dienstreise außerhalb der Grenzzone über Sonn- und Feiertage erstrecke. Auch wenn der Arbeitgeber für diese Tage volles Tagegeld zahle, zählten sie nicht zu den Tagen der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone.
Hiernach hielt sich der Antragsteller lediglich an 35 Tagen außerhalb des Grenzgebiets auf. Dabei kann unentschieden bleiben, ob der Sonnabend zu den schädlichen Arbeitstagen zählt. Die neun Dienstreisetage rechnen nach der Verwaltungspraxis jedenfalls nicht zu den Tagen der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone. Denn an diesen Tagen war er nicht vollen Umfanges außerhalb der Grenzzone tätig. Er erhielt hierfür kein volles Tagegeld.
Allerdingswill die Finanzverwaltung neuerdings nicht mehr auf die Tagegeldgewährung abstellen, sondern bezieht solche Tage in die Prüfung der 45-Tage-Grenze ein, an denen der Arbeitnehmer sich länger als 12 Stunden außerhalb der Grenzzone aufhielt. Grund hierfür ist, dass als "Tagegeld" der pauschale Verpflegungsmehraufwand angesehen wird. Seit 1.1.1996 kommen die maximalen Pauschbeträge nur noch bei ganztägiger Abwesenheit in Betracht. Die Finanzverwaltung will an dem Erfordernis der 12-stündigen Abwesenheit festhalten; die Änderung des Reisekostenrechts lasse die Abkommenslage mit Frankreich unberührt. Vor diesem Hintergrund wären die neun Dienstreisetage schädlich.
Dem ist jedoch nicht beizupflichten. Darauf, in welchem stundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich tatsächlich außerhalb der Grenzzone aufhält und ob und in welchem Umfang er ein Tagegeld erhält, kommt es nicht an. Eine derartige Begrenzung lässt sich weder dem Art. 13 Abs. 5 Buchst. a DBA-Frankreich noch der Verständigungsvereinbarung mit der französischen Steuerverwaltung entnehmen. Im Ergebnis kommt es sonach ausschließlich auf ganze Tage der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone an.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 25.11.2002, I B 136/02