Leitsatz
Wechselt der Steuerpflichtige zu Beginn eines Wirtschaftsjahres von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich, gilt kraft der Fiktion des § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Halbsatz EStG 1997 das für die Ansparabschreibung vorausgesetzte Größenmerkmal auch dann als erfüllt, wenn das Betriebsvermögen ausweislich der Eröffnungsbilanz mehr als 400000 DM beträgt.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige betreibt ein Gewerbe. Zum Jahreswechsel 1996/1997 ging er von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG über. Laut Eröffnungsbilanz zum 1.1. des Streitjahres 1997 betrug sein Betriebsvermögen über 900000 DM. In seiner Schlussbilanz zum 31.12.1997 bildete er für eine geplante Investition eine Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG in Höhe von 300000 DM. Das Finanzamt erkannte die Rücklage nicht an. Das FG gab der Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
§ 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 macht die Gewährung der Sonderabschreibung nach Abs. 1 davon abhängig, dass das Betriebsvermögen zum Schluss des der Anschaffung oder Herstellung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs nicht mehr als 400000 DM beträgt; diese Voraussetzung gilt bei Betrieben, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, als erfüllt. Eine entsprechende Voraussetzung statuiert § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG 1997 mittels Verweisung auf das in Abs. 2 der Norm genannte Größenmerkmal für die Ansparabschreibung, wobei hier an die Stelle des in § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 maßgeblichen Endes des der "Anschaffung oder Herstellung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs" der Schluss des Wirtschaftsjahrs tritt, "das dem Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage vorangeht".
Dies vorausgesetzt, kommt es nicht darauf an, dass das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen am 31.12.1996 den Grenzwert von 400000 DM überschritten hat. Denn der Steuerpflichtige ermittelte seinen Gewinn in dem dem Wirtschaftsjahr der Bildung der Ansparrücklage vorangehenden Wirtschaftsjahr 1996 nach § 4 Abs. 3 EStG mit der Folge, dass nach der in § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 angeordneten und – über die Verweisung in § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG 1997 – auch für die Ansparabschreibung geltenden Fiktion das in § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 genannte Größenmerkmal ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe des Betriebsvermögens erfüllt war.
Praxishinweis
- Der Fiktion, dass Betriebe, die den Gewinn in dem dem Jahr der Rücklagenbildung vorangegangenen Jahr nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben, das Größenmerkmal des § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 erfüllen, liegt die Praktikabilitätserwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Höhe des Betriebsvermögens bei diesen Betrieben kein tauglicher Anknüpfungspunkt ist, weil keine Bilanz aufgestellt wird. Die gegen diese Fiktion – insbesondere im Hinblick auf die nicht gerechtfertigte Privilegierung größerer Freiberuflerpraxen – erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der BFH unter Hinweis darauf nicht, dass dem Gesetzgeber im Interesse der praktikablen Bewältigung der im Steuerrecht auftretenden Massenphänomene ein weiter Gestaltungs- und Typisierungsspielraum zukomme.
- Die im Streitfall für den Steuerpflichtigen vorteilhafte Lösung wirkt sich beim umgekehrten Wechsel von der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zur Einnahmen-Überschussrechnung nachteilig aus: Ermittelt der Steuerpflichtige im Jahr der Vornahme der Ansparabschreibung seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG und hat er im Vorjahr den Gewinn noch durch Bilanzierung ermittelt sowie in der Schlussbilanz des Vorjahres ein Betriebsvermögen von mehr als 400000 DM ausgewiesen, so kann er die Ansparabschreibung nicht in Anspruch nehmen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 16.9.2004, X R 5/02