Rz. 35
In allen Bundesländern bestehen Vorgaben in Form von landesrechtlichen Vorschriften, nach denen sich Gemeinden an Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts, und damit auch an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, beteiligen dürfen (Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung). Die Rechtsgrundlagen dafür finden sich insbesondere in den Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen der jeweiligen Bundesländer. Nachdem in der Vergangenheit Gemeinden vereinzelt ihre Beteiligungen an Wohnungsunternehmen, unter anderem in der Rechtsform der GmbH, veräußert hatten, gewinnen angesichts der Verschärfung der Situation auf dem Wohnungsmarkt, vor allem in den Ballungszentren, der Rückkauf ehemaliger kommunaler Wohnungsgesellschaften sowie deren Neugründung zunehmend an Bedeutung.
Rz. 36
Überblick
Es gibt folgende landesrechtliche Regelungen zur Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden:
- Baden-Württemberg: Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (Gemeindeordnung – GemO), § 102 bis 108 GemO
- Bayern: Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO), Art. 86 bis 96 BayGO
- Berlin: Landeshaushaltsordnung (LHO), § 65 LHO
- Brandenburg: Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf), §§ 91 bis 100 BbgKVerf
- Bremen: Haushaltsordnung der Freien Hansestadt Bremen (Landeshaushaltsordnung – LHO), § 65 LHO
- Hamburg: Haushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (Landeshaushaltsordnung – LHO), § 65 LHO
- Hessen: Hessische Gemeindeordnung (HGO), §§ 121 bis 127b HGO
- Mecklenburg-Vorpommern: Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalverfassung – KV M-V), §§ 68 bis 77 KV M-V
- Niedersachsen: Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG), §§ 136 bis 152 NKomVG
- Nordrhein-Westfalen: Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW), §§ 107 bis 115 GO NRW
- Rheinland-Pfalz: Gemeindeordnung (GemO), §§ 85 bis 92 GemO
- Saarland: Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG), §§ 108 bis 118 KSVG
- Sachsen: Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (Sächsische Gemeindeordnung – SächsGemO), §§ 94a–102 SächsGemO
- Sachsen-Anhalt: Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Kommunalverfassungsgesetz – KVG LSA), §§ 128 bis 135 KVG
- Schleswig-Holstein: Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung – GO), §§ 101 bis 109a GO
- Thüringen: Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO), §§ 71 bis 77 ThürKO
Rz. 37
Beispiel: Vorgaben nach der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW)
Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Betätigung
Gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 GO NRW darf sich die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn
- ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert,
- die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und
- bei einem Tätigwerden (außerhalb der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebs von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen) der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.
Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte (§ 107 Abs. 1 Satz 3 GO NRW).
Rz. 38
§ 107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GO NRW sieht jedoch unter anderem vor, dass als wirtschaftliche Betätigung im Sinne dieses Abschnitts nicht der Betrieb von Einrichtungen gilt, die der Wohnraumversorgung dienen. Die Folge daraus ist, dass solche Einrichtungen und die übrigen in Absatz 2 Satz 1 genannten privilegierten Tätigkeiten vollständig aus dem Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO NRW herausgenommen werden.
Rz. 39
Die Privilegierung der Tätigkeiten von Einrichtungen der Wohnraumversorgung als nicht wirtschaftliche Betätigung muss angesichts der Veränderungen in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, vor allem auch aufgrund der Wohnbedürfnisse, umfassend sein. Der Wettbewerb auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt, verstärkt durch den Einstieg angloamerikanischer Großinvestoren, hat verdeutlicht, dass eine Erweiterung der bisherigen Konzentration auf das Kerngeschäft der "Wohnraumversorgung" zu preiswerten Konditionen nicht mehr ausreicht. Vielmehr ist auch für kommunale Wohnungs- und Immobiliengesellschaften die Erschließung neuer Geschäftsfelder erforderlich. Die Wohnraumversorgung ist daher bereits in die grundlegenden Zielsetzungen der Urbanität, des Wohnumfelds, der Infrastruktur sowie des Städtebaus und der Stadtentwicklung eingebunden.
Rz. 40
Die in Absatz 2 Satz 1 aufgeführten Tätigkeitsfelder gelten auch dann als nicht wirtschaftliche Betätigung, wenn die betreffende Einrichtung wirtschaftlichen Charakter im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 3 GO NRW hat. Es kommt nur darauf an, ob es sich um eine privilegierte...