Unklares Testament

Die Frage, ob der Erblasser eine Teilungsanordnung treffen oder ein Vorausvermächtnis anordnen wollte, ist in der Praxis nicht immer einfach zu beantworten. Schweigt sich das Testament aus, spricht dies grundsätzlich für eine Teilungsanordnung mit Wertausgleich.[1] Die Benutzung des Begriffs "Teilungsanordnung" in einem notariellen Testament ist zwar ein gewichtiges Indiz dafür, dass eine Teilungsanordnung gewollt ist. Im Einzelfall kann gleichwohl eine Erbeinsetzung mit unterschiedlichen Quoten gewollt sein.[2]

Eine testamentarische Regelung, in der die Erblasserin die zum Nachlass gehörenden unbebauten Grundstücke ihren Töchtern je zur Hälfte zuweist und "insofern" eine Teilungsanordnung trifft, bezieht sich dem Wortlaut entsprechend im Zweifel nur auf die vorgenannten Grundstücke, nicht auf den gesamten Nachlass.[3]

Auslegung

Geht der Wille des Erblassers aus der Verfügung von Todes wegen nicht zweifelsfrei hervor und ist insbesondere nicht erkennbar, welche Wertvorstellungen er von den zugewendeten Gegenständen hatte, muss durch Auslegung der tatsächliche oder mutmaßliche Erblasserwille ermittelt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Annahme eines Vorausvermächtnisses entscheidend, ob der Erblasser einen über die bloß gegenständliche Aufteilung hinausgehenden Begünstigungswillen hatte.[4] Ein Vorausvermächtnis ist vom Erblasser dann gewollt, wenn der Miterbe höherwertige Gegenstände ohne Ausgleichspflicht erhalten soll und dadurch eine Besserstellung des Begünstigten im Verhältnis zur Erbquote vorgenommen wird. Lässt also die Anordnung des Erblassers erkennen, dass ein Miterbe wertmäßig begünstigt werden soll, ist von einem Vorausvermächtnis auszugehen.[5] Nur wenn ein solcher Begünstigungswille fehlt, handelt es sich um eine bloße Teilungsanordnung.[6] Für die Feststellung eines Begünstigungswillens sind die Werte aller den Miterben jeweils zugewendeten Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu vergleichen. Der etwaige Wertunterschied muss dem Erblasser bekannt gewesen sein.[7]

Unklarer Wille des Erblassers

Ist das Vorliegen eines Begünstigungswillens unklar, sind Auseinandersetzungsanordnung und Vorausvermächtnis nach den allgemeinen Regeln der Testamentsauslegung so voneinander abzugrenzen, wie es dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht. Im Zweifel wird man zu einer Teilungsanordnung gelangen und folglich zu einer Ausgleichungspflicht. Das Schweigen des Testaments spricht mithin für einen Wertausgleich und damit für eine Teilungsanordnung.[8]

 
Hinweis

Deutungshoheit des Erblassers

Für die Miterben ist es von erheblicher Bedeutung, wie die Anordnung des Erblassers zu deuten ist, da es meist um wertvolle Nachlassgegenstände geht. Der Erblasser sollte daher bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung klare Formulierungen wählen, die der Nachwelt die komplizierte Ermittlung seines wahren Willens erspart: Zunächst ist festzulegen, wer Erbe sein soll, und erst danach die Zuordnung einzelner Nachlassgegenstände vorzunehmen. Ob darin Teilungsanordnungen oder Vorausvermächtnisse liegen, ist in einem nächsten Schritt klarzustellen.[9]

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