Zusammenfassung
Gegen "Massearmut" hat der Insolvenzverwalter ein probates Mittel: Er kann Rechtshandlungen, die vor Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechten und damit ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen zugunsten der Insolvenzmasse rückgängig machen. Dies dient der gleichmäßigen Verteilung auf alle Gläubiger. Doch einige Gläubiger sind "gleicher": Sie können in bestimmten Fällen eine Aussonderung oder Absonderung und damit eine bevorzugte Befriedigung geltend machen.
1 Insolvenzanfechtung
1.1 Voraussetzungen
1.1.1 Rückgewähranspruch des Verwalters
Zurück zur Masse
Erfahrungsgemäß neigen Schuldner dazu, einzelne besonders hartnäckige oder ihm nahestehende Gläubiger vorab zu befriedigen oder aber wertvolle Sachen auf Verwandte oder Ehegatten zu übertragen, um sie dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.
Unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO kann der Insolvenzverwalter solche Rechtsgeschäfte anfechten und von dem Begünstigten Rückgewähr zur Insolvenzmasse verlangen. Was nämlich durch eine anfechtbare Handlung aus dem Schuldnervermögen veräußert oder weggegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1 InsO). Zum Ausgleich hierfür lebt die Forderung des betreffenden Gläubigers dann wieder auf (§ 144 InsO).
Abgrenzung zur Gläubigeranfechtung
Darin unterscheidet sich die Insolvenzanfechtung von der Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz: Dort soll im Interesse des Einzelgläubigers die Einzelzwangsvollstreckungslage so wieder hergestellt werden, wie sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners bestanden hätte. Der Anfechtungsgegner muss dann die Zwangsvollstreckung des anfechtungsberechtigten Gläubigers dulden, während er bei der Insolvenzanfechtung das Erlangte zum Zwecke der Gesamtvollstreckung zur Verfügung stellen muss.
1.1.2 Rechtshandlungen
Begriff
Der Begriff "Rechtshandlung" ist weit gefasst, damit grundsätzlich alle Arten benachteiligender Maßnahmen Gegenstand einer Anfechtung sein können.
So kann auch die Schaffung einer Aufrechnungslage eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen, ebenso die Zahlung einer Geldstrafe.
Vollstreckungsmaßnahme
Wenn der Schuldner vor Insolvenzeröffnung bei Vollstreckungshandlungen mitwirkt, geht es im Anfechtungsprozess häufig um die Frage: Kann bei einer Vollstreckungsmaßnahme (auch) von einer Rechtshandlung des Schuldners gesprochen werden mit der Folge, dass die im Rahmen der Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverschiebung angefochten werden kann? Hierzu hat der BGH in folgendem Fall Stellung genommen:
Anfechtbare Vollstreckungshandlung
Die Finanzbehörde hatte wegen rückständiger Steuerverbindlichkeiten die Vollstreckung in das Schuldnervermögen betrieben. In Erwartung der Zwangsvollstreckung hatte die Schuldnerin Geld in die Kasse eingelegt und den angeforderten Geldbetrag an den Vollstreckungsbeamten übergeben. 6 Monate später wird ein Insolvenzantrag gestellt und das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erklärt die Anfechtung und verlangt vom Finanzamt, die erlangten Beträge an die Insolvenzmasse zurückzugewähren.
Der BGH gab ihm recht: Die gezielte Bereitstellung der Geldbeträge in der Kasse hatte erst die Möglichkeit einer erfolgreichen Kassenpfändung des Vollziehungsbeamten geschaffen. Diese Zahlungen stellen sich trotz des möglichen Vollstreckungszugriffs des anwesenden Vollziehungsbeamten als selbstbestimmte, willensgeleitete Rechtshandlungen der Schuldnerin dar.
Entscheidungsmöglichkeit des Schuldners ausschließen
Um Rechtssicherheit zu erlangen, muss der Gläubiger die Zwangsvollstreckung tatsächlich so betreiben, dass jegliche Entscheidungsmöglichkeit des Schuldners von vornherein ausgeschlossen ist.
1.1.3 Ausübung des Anfechtungsrechts
Für die Ausübung des Anfechtungsrechts genügt jede erkennbare – auch konkludente – Willensäußerung, dass der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnehme, sondern zur Masseanreicherung wenigstens wertmäßig auf Kosten des Anfechtungsgegners wieder auszugleichen suche. Die Anfechtung muss also nicht – geschweige denn ausdrücklich – als solche "erklärt" werden.
Rechtsnachfolger
Die Anfechtung kann nach § 145 InsO auch gegen den Erben oder einen anderen Gesamtrechtsnachfolger geltend gemacht werden. Dieser muss allerdings den Gegenstand der Anfechtung auch tatsächlich erlangt haben.
Abtretung
Der aus einer Insolvenzanfechtung folgende Rückgewähranspruch kann vom Insolvenzverwalter an einen Dritten abgetreten werden.
Gerichtsverfahren
Im Fall einer Anfechtung nach §§ 130 ff. InsO hat der Insolvenzverwalter einen Anspruc...