Grundbesitz und Nachlass: Gestaltung des Testaments / 1.2.6 Beschränkung der Testierfreiheit

Bindungswirkung

Der überlebende Ehegatte, der im gemeinschaftlichen Testament zum Alleinerben eingesetzt war, hat häufig den Wunsch und meist auch berechtigte Gründe, später noch einmal abweichend vom darin geäußerten Willen zu testieren. Doch hier bestehen Grenzen. Entscheidend ist die Auslegung des Testaments.

So kann ein nach dem Tode seiner 1. Ehefrau durch ein gemeinschaftliches Testament verpflichteter Ehemann durch die Bestimmung seiner Kinder zu Schlusserben an der schenkweisen oder testamentarischen Übertragung seines Vermögens an seine 2. Ehefrau gehindert sein. Zu Lebzeiten vorgenommene Schenkungen können von den Erben nach dem Tod des Erblassers unter den Voraussetzungen des § 2287 BGB herausverlangt werden.^[1]

Schutz des Schlusserben

Insbesondere ist auf die Interessen des in einem gemeinschaftlichen Testament verbindlich eingesetzten Schlusserben zu nehmen. Beeinträchtigt der überlebende Ehegatte die Erberwartung dieses Schlusserben durch Schenkungen an einen Dritten, kann der Dritte nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten zur Herausgabe der Zuwendung an den Schlusserben verpflichtet sein, es sei denn, der Erblasser hatte ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung.^[2]

Desgleichen darf der überlebende Ehegatte wegen der grundsätzlich bindend gewordenen Einsetzung des Abkömmlings als Vollerbe nicht die Rechtsstellung des Schlusserben dergestalt beschränken, dass er die zur Einrichtung eines sog. Behindertentestaments erforderlichen Eingriffe (Bestellung eines Testamentsvollstreckers und Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft) vornimmt.^[3]

Hinweis

Klare Verhältnisse

Spätere letztwillige Verfügungen sind dann nicht unwirksam, wenn dem Überlebenden in dem früheren gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag eine Änderungsmöglichkeit vorbehalten ist, die die getroffene spätere letztwillige Verfügung zulässt. In jedem Fall sollte im Ehegattentestament klar geregelt sein, ob eine Bindungswirkung gewollt ist.

[1] OLG Hamm, Urteil v. 7.3.2017, 10 U 5/16, BeckRS 2017, 140088.

[2] OLG Hamm, Urteil v. 12.9.2017, 10 U 75/16, ErbR 2018, 34; ferner OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.4.2018, 3 Wx 202/17, FGPrax 2018, 175.

[3] OLG Frankfurt, Beschluss v. 23.10.2023, 21 W 69/23, NJW-RR 2023, 1563.