Zugriff der Staatskasse droht

Eltern eines behinderten Kindes sind bestrebt, das Kind auch nach ihrem Tod gut versorgt zu wissen. Hierfür ist eine geschickte Gestaltung ihrer letztwilligen Verfügung erforderlich. Denn grundsätzlich hat der Behinderte das im Erbgang nach seinen Eltern erworbene eigene Vermögen aufgrund des Nachrangs der Sozialhilfe für seinen Unterhalt einzusetzen. Durch ein ausgefeiltes "Behindertentestament" kann der Zugriff des Sozialleistungsträgers vermieden werden.[1]

Gestaltungsmöglichkeiten

In der notariellen Praxis sind insoweit folgende Gestaltungsvorschläge gebräuchlich:[2]

  • Einsetzung des behinderten Kindes zum Vorerben mit einem seinen Pflichtteilsanspruch übersteigenden Erbteil;
  • Nacherbeneinsetzung des länger lebenden Elternteils und/oder/ersatzweise der sonstigen Abkömmlinge;
  • Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung nebst Einsetzung des Testamentsvollstreckers auch als Nacherbenvollstrecker;
  • Verwaltungsanweisung an den Testamentsvollstrecker zur Verwendung des Nachlasses im Sinne von solchen Einzelzuwendungen an das behinderte Kind, die dem Zugriff der Sozialbehörden entzogen sind.

Keine Sittenwidrigkeit

Vererben vermögende Eltern ihrem behinderten Kind einen Erbteil in der Weise, dass das Kind auch beim Erbfall weiterhin auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen ist, so ist das Testament nicht bereits deswegen sittenwidrig und nichtig.[3]

Diese Auffassung entspricht inzwischen der gefestigten Rechtsprechung des BGH: Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, seien grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.[4]

Auch ist der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers grundsätzlich nicht sittenwidrig.[5]

Annahme und Ausschlagung

Die Entscheidungen über die Annahme eines Erbes wie auch über die Ausschlagung sind höchstpersönlicher Natur und können nur durch den Erben getroffen werden. Das entsprechende "Recht" ist demgemäß nicht pfändbar.[6]

[1] Bei Verfügungen zugunsten von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II spricht man von einem sog. Bedürftigentestament; zu den Besonderheiten bei Bezug von Bürgergeld vgl. Bredemeyer, ZEV 2023, 435.
[2] Näher Milzer, NZFam 2019, 1046, 1047; vgl. auch Schönenberg-Wessel, NJW 2023, 2625 mit ergänzenden Hinweisen.

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