§ 3 GrEStG in den Fällen der Anteilsvereinigung
1. Vater und Sohn sind zu 59 % bzw. 41 % an einer grundbesitzenden GmbH beteiligt. Der Sohn hatte seine Beteiligung im Jahr 2000 im Wege der Schenkung vom Vater erhalten. Mit notariellem Vertrag vom 18.6.2024 überträgt der Vater seine 59 % entgeltlich auf den Sohn.
Lösung
Da es sich um eine Anteilsverschiebung unter Altgesellschaftern handelt, ist § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anwendbar.
Im Jahr 2024 werden die Anteile an der grundbesitzenden GmbH in der Hand des Sohnes erstmals vereinigt. Damit ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt; die Anteilsvereinigung ist steuerbar, aber nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei, soweit sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht. Da § 1 Abs. 3 GrEStG keine Fristen enthält, ist die Schenkung aus dem Jahr 2000 in die Prüfung einzubeziehen. Damit ist die Anteilsvereinigung i. H. v. 41 % steuerfrei, i. H. v. 59 % steuerpflichtig. Eine Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG kann für diesen Anteil nicht gewährt werden. Dies würde ein verwandtschaftliches Verhältnis in gerader Linie zwischen Veräußerer und Erwerber voraussetzen. Veräußerer ist hier die GmbH, mit der der Sohn nicht in gerader Linie verwandt ist. Dass die Anteilsvereinigung auf eine Anteilsschenkung durch den Vater zurückzuführen ist, ist unbeachtlich.
2. X und Y sind als Kommanditisten je zur Hälfte am Vermögen der grundbesitzenden GmbH & Co. KG und ebenfalls zu je 50 % an der Komplementär-GmbH beteiligt. Letztere ist nicht vermögensmäßig an der KG beteiligt. Die KG hat folgende Grundstücke erworben:
Grundstück 1: Erwerb am 10.5.2001,
Grundstück 2: Erwerb am 12.3.2024.
Mit Vertrag vom 1.10.2023 übertrug X schenkweise (unentgeltlich) je einen Anteil von 25 % an der KG und an der GmbH auf Y. Dieser ist seither mit jeweils 75 % an den Gesellschaften beteiligt.
Am 10.10.2024 übertrug X seine restlichen Anteile an den beiden Gesellschaften entgeltlich auf Y.
Lösung
1. Prüfungsschritt: § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht verwirklicht. Y ist Altgesellschafter. Anteilsverschiebungen unter Altgesellschaftern sind unbeachtlich.
2. Prüfungsschritt: Anteilsvereinigung in der Hand des Y nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
Mit Abschluss des Vertrags vom 10.10.2024 vereinigen sich die Anteile an der KG teils mittelbar und teils unmittelbar in der Hand des Y.
Maßgeblich für die Besteuerung ist der Grundstücksbestand am 10.10.2024, d. h. beide Grundstücke sind einzubeziehen.
Zwischenergebnis 1: Es liegt ein nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Vorgang vor.
Befreiung nach § 6 GrEStG? Y ist zu diesem Zeitpunkt zu 75 % am Vermögen der KG beteiligt (Durchgriff durch die Personengesellschaft: insoweit war Y vor der Anteilsvereinigung schon am Gesamthandsvermögen mitberechtigt). Damit könnte § 6 Abs. 2 GrEStG greifen, denn durch die Anteilsvereinigung in der Hand des Y ordnet § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Grundstücke dem Y in Alleineigentum zu. Y wird so behandelt, als habe er die Grundstücke von der KG erworben. Dieser Befreiung steht jedoch teilweise § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG entgegen, da Y innerhalb der letzten 10 Jahre (am 1.10.2023) 25 % hinzuerworben hat.
Zwischenergebnis 2: Der Vorgang ist nach § 6 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 GrEStG zu 50 % steuerfrei.
Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG für 25 %? Die Anteilsvereinigung am 10.10.2024 beruht hinsichtlich dieser 25 % auf einer Schenkung. Für diese gilt das ErbStG. § 3 Nr. 2 GrEStG kann nur greifen, wenn eine Grundstücksübertragung der Schenkungsteuer unterlegen hat, denn nur insoweit kann es zu der Doppelbelastung kommen, die § 3 Nr. 2 GrEStG vermeiden will. Die Grundstücke sind daher einzeln zu untersuchen:
Grundstück 1: Die Anteilsvereinigung ist diesbezüglich zu 50 % begünstigt nach § 6 Abs. 2 GrEStG (s. o.). Zum Zeitpunkt der Schenkung am 1.10.2023 hat dieses Grundstück bereits der KG gehört. Damals unterlag das Grundstück zu 25 % der Schenkungsteuer. Folglich sind 25 % nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. Die übrigen 25 % wurden am 10.10.2024 entgeltlich erworben und können damit nicht von § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst werden.
Grundstück 2: Dieses Grundstück hat die KG erst am 12.03.2024 erworben. Es konnte damit nicht Gegenstand der Schenkung im Jahr 2024 sein. Da der Vorgang nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu 50 % begünstigt ist und § 3 Nr. 2 GrEStG nicht greift (das Grundstück war nicht Gegenstand der Schenkung in 2023; die Anteilsübertragung 2024 erfolgte entgeltlich), unterliegen 50 % der GrESt.
Variante
Sind X und Y in gerader Linie verwandt, dann ist die Anteilsvereinigung in der Hand des Y nach § 6 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 6 GrEStG gänzlich steuerfrei. Die KG gilt als transparent. Eigentümer des Vermögens sind die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Dies...