Herrschendes Unternehmen
"Herrschendes Unternehmen" kann jeder Rechtsträger i. S. d. GrEStG sein, der wirtschaftlich tätig ist, also wirtschaftlich tätige natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften.
Der Begriff richtet sich weder nach dem AktG/GmbHG noch nach § 2 UStG. Es handelt sich um einen eigenständigen Begriff des § 6a GrEStG. Hiernach definiert sich das herrschende Unternehmen i. S. d. § 6a GrEStG als der oberste Rechtsträger, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt und wirtschaftlich tätig ist. Die Voraussetzungen müssen dabei während der gesamten 5-jährigen Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist (s. u. Tz. 4.3.) bestehen. Der oberste Rechtsträger ist demnach derjenige in einer Kette, der als letztes Glied in seiner Person die Mindestbeteiligungshöhe von 95 %, die wirtschaftliche Tätigkeit und die Vorbesitzzeit zu den an der Umwandlung beteiligten Gesellschaften erfüllt.
Wirtschaftliche Tätigkeit
An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft (s. u. Tz. 4.3.) am Markt teilnimmt. Hierfür ist erforderlich, dass mindestens eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft am Markt wirtschaftlich tätig ist. Dies gilt auch für nicht selbst wirtschaftlich tätige Gesellschaften (z. B. Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften).
Ermittlung des herrschenden Unternehmens
Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Soweit das Gesetz von einem herrschenden Unternehmen spricht, ist zunächst – soweit vorhanden – das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Ebenso wenig ist maßgebend, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, wenn diese Unternehmen oder Gesellschaften selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind. Sind mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften am Umwandlungsvorgang beteiligt, ist ausgehend von dem Umwandlungsvorgang der in der Beteiligungskette am nächsten stehende (unterste) Rechtsträger, der die Voraussetzungen nach § 6a Satz 3 und 4 GrEStG erfüllt, das herrschende Unternehmen. Auch hier ist unerheblich, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.
Soweit kein Rechtsträger die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, ist eine Anwendung des § 6a GrEStG ausgeschlossen.
Das im Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs herrschende Unternehmen hat die Mindestbeteiligungsquote innerhalb der Vor- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen einzuhalten. Bei Gesamtrechtsnachfolge einer natürlichen Person hat der Gesamtrechtsnachfolger die Fristen einzuhalten. Sind mehrere Erben (auch Stiftungen) Rechtsnachfolger, haben diese die Fristen einzuhalten, soweit für die ungeteilte Erbengemeinschaft eine Rechtsnachfolge anzunehmen ist.
(Voraus-)Vermächtnis, vorweggenommene Erbfolge
Im Fall eines (Voraus-)Vermächtnisses bzw. der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um keine (Gesamt-)Rechtsnachfolge, sondern um einen schuldrechtlichen Anspruch. Ein Einhalten der Fristen i. S. d. § 6a GrEStG ist hier nicht möglich.
Beispiel des BFH im Urteil v. 28.9.2022, II R 13/20, zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens
In einem 3-stufigen Konzern mit Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft wird die Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft verschmolzen. Hier muss das Verhältnis der an dem Verschmelzungsvorgang beteiligten Gesellschaften gesondert betrachtet werden. Die Tochtergesellschaft ist in einem solchen Fall das herrschende Unternehmen, die Enkelgesellschaft die abhängige Gesellschaft. Beide sind am steuerbaren Rechtsvorgang i. S. d. § 6a Satz 3 GrEStG beteiligt. Unerheblich ist, dass die Muttergesellschaft zugleich unmittelbar die Tochter- und mittelbar die Enkelgesellschaft beherrscht, denn sie ist an dem Rechtsvorgang i. S. d. § 6a Satz 3 nicht beteiligt. Erlischt sodann durch die Verschmelzung das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft, kann nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2019 (insoweit als ständige Rechtsprechung anzusehen) die Nachbehaltensfrist umwandlungsbedingt – also aus rechtlichen Gründen – nicht eingehalten werden. Die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft ist für die Beachtung der Nachbehaltensfrist unerheblich (insoweit Fortentwicklung der Rechtsprechung).
Herrschendes Unternehmen bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften
Die M-GmbH...