Die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG (Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft) oder nach § 1 Abs. 3 und 4 GrEStG (Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung) ließ sich nach früherer Rechtslage dadurch vermeiden, dass ein Real Estate Transfer Tax-Blocker ("RETT-Blocker"; RETT = Real Estate Transfer Tax = Grunderwerbsteuer) eingeschaltet wurde, der mind. 5,1 % der Anteile hielt und dadurch eine Anteilsübertragung oder -vereinigung i. H. v. 95 % verhinderte (Rechtslage bis einschl. 30.6.2021). Den "RETT-Blocker"-Strukturen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer begegnet der Gesetzgeber mit einer neuen gesetzlichen Regelung.
§ 1 Abs. 3a GrEStG wurde durch das AmtshilfeRLUmsG eingefügt und ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden.
Bemessungsgrundlage sind die Grundbesitzwerte nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1–3 BewG der betroffenen Grundstücke, § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG.
2.11.1 Hintergrund und Entwicklung des § 1 Abs. 3a GrEStG
Steuervermeidung
§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG zeigen, dass der Grunderwerbsteuer nicht nur die zivilrechtliche Übertragung eines Grundstücks der Grunderwerbsteuer unterliegt. Werden Anteile an einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft, die Grundbesitz in ihrem Gesamthands-/Gesellschaftsvermögen hält, übertragen, unterliegen auch diese Anteilsübertragungen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b bzw. der Abs. 3 und 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Gemeinsames Merkmal dieser Vorschriften war bisher die 95 %-Grenze (seit 1.7.2021: 90 %). Insbesondere angesichts der steigenden Grunderwerbsteuersätze wurde versucht, die Steuer zu vermeiden, indem die Anteilsvereinigung oder -übertragung geringfügig unterhalb der jeweiligen Wesentlichkeitsgrenze vollzogen wurde. Dazu wurden sog. RETT-Blocker eingesetzt. Nachstehendes Beispiel verdeutlicht die Wirkung eines "RETT-Blockers":
Wirkung eines RETT-Blockers vor Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, hier: Kapitalgesellschaft (Rechtslage bis 30.6.2021 bzw. 6.6.2013)
RETT-Blocker bei Kapitalgesellschaft
Ein Erwerber (E) möchte sich so an der grundbesitzenden Ziel-GmbH beteiligen, dass er eine einem Alleingesellschafter nahekommende Position innehat. Grunderwerbsteuer soll bei diesem Vorgang jedoch nicht anfallen. Zu diesem Zweck beteiligt er sich nur mit 94,9 % an der Ziel-GmbH.
Dieser Vorgang erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 nicht, da in der Hand des E nicht mindestens 95 % der Anteile an der Ziel-GmbH vereinigt werden.
In einem weiteren Schritt gründet E zusammen mit dem außenstehenden X die R-GmbH. X hält 5,1 % der Anteile, E 94,9 % der Anteile an der R-GmbH. Auch hier entsteht keine Grunderwerbsteuer, da in der Hand des E ebenfalls keine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG stattfindet. Die R-GmbH erhält die verbleibenden 5,1 % der Anteile an der Ziel-GmbH.
Damit erhält E eine dem Alleingesellschafter der Ziel-GmbH nahekommende Position (die R-GmbH ist mit einer Beteiligung von 5,1 % wirtschaftlich unbedeutend), ohne dass Grunderwerbsteuer entstanden ist. Die zwischengeschaltete R-GmbH fungiert als "RETT-Blocker", da durch sie die Entstehung von Grunderwerbsteuer verhindert wurde.
Üblicherweise wurden nicht Kapitalgesellschaften, sondern Personengesellschaften eingeschaltet. Dies hat den Vorteil, dass der fremde Dritte (Co-Investor, im vorigen Beispiel X) auch mit weniger als 5,1 % am "RETT-Blocker" beteiligt werden kann.
Wirkung eines RETT-Blockers vor Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, hier: Personengesellschaft (Rechtslage bis 30.6.2021 bzw. 6.6.2013)
RETT-Blocker bei Personengesellschaft
Wie voriges Beispiel. E gründet mit X jedoch die R-KG, an der X mit 0-5,1 % und E mit 94,9-100 % beteiligt sind. Die R-KG hält 5,1 % an der Ziel-GmbH.
Somit wird auch hier Grunderwerbsteuer vermieden. In der Hand des E findet keine Vereinigung der Anteile an der Ziel-GmbH statt, obwohl X möglicherweise mit 0 % am Vermögen der R-KG beteiligt ist. In Betracht kommen kann nur eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG (es geht um die Anteile an der Ziel-GmbH, also einer Kapitalgesellschaft). Daher kann dem E die Beteiligung der R-KG an der Ziel-GmbH nicht anteilig zugerechnet werden (kein "Durchrechnen"). Es gilt die sachenrechtliche Betrachtung, die sich einer Quotelung entzieht (Pro-Kopf-Betrachtung). Jedem Mitglied der Personengesellschaft steht nur eine einzige Beteiligung zu. Die vermögensrechtliche Beteiligung spielt keine Rolle. Hier wirkt die R-KG als "RETT-Blocker". Wirtschaftlich betrachtet spielen die Beteiligung des X bzw. der R-KG keine Rolle.
Neuer Besteuerungstatbestand
Mit den Steuersatzerhöhungen der Bundesländer (einige Bundesländer erheben zwischenzeitlich 6,5 %) sind die in den obigen Beispielen angesprochenen Gestaltungen gehäuft aufgetreten. Mit den bisherigen Regelungen konnte den Gestaltungen nicht begegnet werden, da...