§ 1 Abs. 3a GrEStG lautete bis 30.6.2021:

"Soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a und Absatz 3 nicht in Betracht kommt, gilt als Rechtsvorgang im Sinne des Absatzes 3 auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. Die wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft. Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren."

Zum 1.7.2021 wurde die Wesentlichkeitsgrenze auf 90 % abgesenkt.[1]

Wirtschaftliche Beteiligung prüfen

Zunächst ist festzuhalten, dass § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG vorrangig anzuwenden sind. Erst wenn eine Besteuerung danach nicht in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllt ist, d. h., ob jemand aufgrund eines Rechtsvorgangs eine wirtschaftliche Beteiligung i. H. v. 95 %/90 % innehat, unabhängig davon, ob diese wirtschaftliche Beteiligung unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar gehalten wird. Ist dies der Fall, gilt der Rechtsvorgang als ein Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Damit wird demjenigen, der an einer grundbesitzenden Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet mindestens 95 %/90 % der Anteile hält, der Grundbesitz dieser Gesellschaft im Wege der Fiktion zugerechnet (analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG).

Rechtsformneutrale Beteiligungsberücksichtigung

"Wirtschaftlich" bedeutet, dass es weder auf die vermögensmäßige noch auf die sachenrechtliche Beteiligung ankommt. Es sind alle Beteiligungen rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen. Bei einer mittelbaren Beteiligung ist die Höhe der wirtschaftlichen Beteiligung dadurch zu ermitteln, dass die Beteiligung am Kapital oder am Vermögen "durchgerechnet" wird (Multiplikation der Beteiligungen). Unmittelbare und mittelbare Beteiligungen werden addiert. Ergibt sich hier eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95 %/90 %, so wird der Grundbesitz der Gesellschaft fiktiv dem Anteilseigner zugerechnet, der diese Beteiligung hält. Damit findet in Bezug auf den Grundbesitz der Gesellschaft nach der Fiktion des Gesetzes ein Rechtsträgerwechsel statt, der der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen ist.

 
Praxis-Beispiel

Wirkung eines RETT-Blockers nach Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, hier: Kapitalgesellschaft

Grunderwerbsteuer entsteht

Hinweis: Die Klammerzusätze beziehen sich auf die Rechtslage ab 1.7.2021.

Ein Erwerber (E) möchte sich so an der grundbesitzenden Ziel-GmbH beteiligen, dass er eine einem Alleingesellschafter nahekommende Position innehat. Grunderwerbsteuer soll bei diesem Vorgang jedoch nicht anfallen. Zu diesem Zweck beteiligt er sich nur mit 94,9 % (Rechtslage bis 30.6.2021; ab 1.7.2021: 89,9 %) an der Ziel-GmbH.

Dieser Vorgang erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 nicht, da in der Hand des E nicht mindestens 95 % (90 %) der Anteile an der Ziel-GmbH vereinigt werden.

In einem weiteren Schritt gründet E zusammen mit dem außenstehenden X die R-GmbH. X hält 5,1 % (10,1 %) der Anteile, E 94,9 % (89,9 %) der Anteile an der R-GmbH. Auch hier findet in der Hand des E keine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG statt. Die R-GmbH erhält die verbleibenden 5,1 % (10,1 %) der Anteile an der Ziel-GmbH.

Da § 1 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt ist, ist nunmehr § 1 Abs. 3a GrEStG zu prüfen. Die wirtschaftliche Beteiligung des E an der Ziel-GmbH ist durch "Durchrechnen" zu ermitteln: E ist an der Ziel-GmbH unmittelbar mit 94,9 % (89,9 %) und mittelbar über die R-GmbH mit 94,9 % x 5,1 % = 4,84 % (89,9 % x 10,1 % = 9,08 %), insgesamt also mit 99,74 % (98,98 %) % beteiligt. Damit gelten die Grundstücke der Ziel-GmbH als durch den E erworben. Es entsteht Grunderwerbsteuer.

Auch eine zwischengeschaltete Personengesellschaft kann die Grunderwerbsteuer nicht mehr verhindern, wie das nachstehende Beispiel zeigt:

 
Praxis-Beispiel

Wirkung eines RETT-Blockers nach Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, hier: Personengesellschaft

RETT-Blocker greift nicht

Wie voriges Beispiel. E gründet mit X jedoch die R-KG, an der X mit 0-5,1 % (0-10,1 %) und E mit 94,9-100 % (89,9-100 %) beteiligt sind. Die R-KG hält 5,1 % (10,1 %) an der Ziel-GmbH.

Da in der Hand des E keine Vereinigung der Anteile an der Ziel-GmbH i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG stattfindet, ist § 1 Abs. 3a GrEStG zu prüfen. E ist – wirtschaftlich betrachtet – an der Ziel-GmbH mit 94,4 % (89,9 %) unmittelbar und mit mindestens 94,9 % x 5,1 % = 4,84 %, maximal 100 % x 5,1 % = 5,1 % (mindestens 89,9 % x 10,1 % = 9,08 %, maximal 100 % x 10,1 % = 10,1 %) beteiligt. Seine wirtschaftliche Beteiligung an der Ziel-GmbH beträgt mindestens 99,74 %, maximal 100 % (mindestens 98,98 %, maximal 100 %). Damit werden ihm die Grundstücke der Ziel-GmbH zugerechnet. Es...

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