Leitsatz (amtlich)
Hat der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH kurz vor seinem Bilanzstichtag eine Vorabausschüttung der von ihm beherrschten Gesellschaft veranlasst, so darf er nicht zu dem betreffenden Bilanzstichtag den Anspruch auf eine weitere Dividende ("phasengleich") aktivieren, deren Ausschüttung erst nach diesem Stichtag beschlossen worden ist.
Sachverhalt
Die Revisionsbeklagte ist infolge mehrerer Verschmelzungen Rechtsnachfolgerin der D-GmbH. Die D-GmbH, eine Holdinggesellschaft, hatte am 20.11.1986 insgesamt 90 % des Stammkapitals der A-GmbH erworben. Durch Beschluss vom 23.12.1986 erhielt sie von der A-GmbH eine Vorabausschüttung in Höhe von 6,5 Mio. DM zuzüglich anrechenbarer KSt. Die steuerrechtliche Behandlung dieser Ausschüttung ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 15.12.1987 schüttete die A-GmbH für 1986 weitere 3,4 Mio. DM zuzüglich anrechenbarer KSt an die D-GmbH aus. Die D-GmbH aktivierte den Anspruch auf die in 1987 beschlossene Gewinnausschüttung in ihrer Bilanz zum 31.12.1986. Das Finanzamt ging demgegenüber davon aus, dass der Dividendenanspruch erst im Rahmen der Veranlagung 1987 gewinnerhöhend zu berücksichtigen sei. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7.8.2000 kann eine Kapitalgesellschaft, die mehrheitlich an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, Dividendenansprüche aus einer am Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Gesellschaft grundsätzlich nicht aktivieren. Wie der Große Senat weiter entschieden hat, ist es allerdings denkbar, dass eine Dividendenforderung als wirtschaftlich verselbständigtes Wirtschaftsgut nicht erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt entsteht. Das setzt jedoch zum einen voraus, dass in dem betreffenden Zeitpunkt ein Bilanzgewinn der beherrschten Gesellschaft auszuweisen und der mindestens ausschüttungsfähige Gewinn bekannt ist. Zum anderen muss anhand objektiver Gesichtspunkte nachgewiesen sein, dass die Gesellschafter der beherrschten Gesellschaft schon zu jenem Zeitpunkt endgültig entschlossen waren, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen. Wenn und soweit diese Voraussetzungen am Bilanzstichtag des Gesellschafters erfüllt sind, kann - und muss - der Gesellschafter die Dividendenforderung in seiner Steuerbilanz auf den betreffenden Stichtag aktivieren.
Vor diesem Hintergrund kann die Revisionsbeklagte mit ihrem Begehren, die Dividendenforderung gegenüber der A-GmbH in der Steuerbilanz der D-GmbH auf den 31.12.1986 zu aktivieren, im Ergebnis keinen Erfolg haben. Dabei kann offen bleiben, in welchen Fällen die vom Großen Senat geforderten Voraussetzungen für eine vorzeitige Aktivierung von Dividendenansprüchen vorliegen könnten. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen jedenfalls schon deshalb nicht gegeben, weil die D-GmbH kurz vor dem maßgeblichen Bilanzstichtag eine Vorabausschüttung der A-GmbH bewirkt hat. Hierdurch hat sie zum einen dokumentiert, dass sie zu diesem Zeitpunkt gerade nicht bereit war, eine weitergehende Ausschüttung endgültig zu beschließen. Zum anderen ist die Begrenzung der Vorabausschüttung ersichtlich darauf zurückzuführen, dass aus der damaligen Sicht der D-GmbH nicht zuverlässig erkennbar war, ob über den vorab ausgeschütteten Betrag hinaus ein weiterer Bilanzgewinn der A-GmbH zur Ausschüttung zur Verfügung stand.
Link zur Entscheidung
BFH vom 28.2.2001 – I R 48/94