Leitsatz (amtlich)

Ein Grundstück, auf dem im Rahmen des kombinierten Ladeverkehrs Straße -Schiene unmittelbar und ausschließlich Verkehrsleistungen für eine unbeschränkte Zahl von Verkehrsunternehmen erbracht werden, dient dem öffentlichen Verkehr i.S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG, ohne dass es darauf ankommt, ob das Grundstück durch Widmung zu einer (rechtlich) öffentlichen Sache i.S. des Straßenrechts geworden ist (Abweichung von den BFH-Urteilen vom 21.6.1989, II R 235/85, BStBl II 1989, S. 740; vom 6.3.1991, II R 97/89, BStBl II 1994, S. 123).

 

Sachverhalt

Die Stadt A bestellte der Klägerin 1989 ein Erbbaurecht an einem ca. 127 000 qm großen Grundstück. Zeitgleich schlossen die Stadt und die Klägerin einen "Betriebsvertrag", in dem die Vertragsparteien ihre Absicht erklärten, auf dem Grundstück im Rahmen des Güterverkehrszentrums eine Anlage für den kombinierten Ladungsverkehr zu errichten und zu unterhalten. Danach oblag es der Klägerin, die Anlagen und Einrichtungen unter Wahrung des allgemeinen Verkehrsinteresses zu betreiben. Die Stadt beteiligte sich an der Finanzierung bestimmter Infrastrukturmaßnahmen. Die Klägerin verpflichtete sich, der Stadt, der Deutschen Bundesbahn sowie Dritten unter bestimmten Voraussetzungen die Mitbenutzung zu gestatten. Die Gleisanlage ist als Nebenanschluss an das Schienennetz der Deutschen Bahn angeschlossen. Die Klägerin nahm den "Zielbahnhof für den kombinierten Güterverkehr" im Jahr X in Betrieb. Das Grundstück besteht zu mehr als einem Drittel aus den im Eigentum der Stadt stehenden und an das öffentliche Schienennetz der Deutschen Bahn AG angeschlossenen Gleisanlagen. Die Gleise, Fahrstraßen und Abstellflächen wurden nur im Rahmen der kombinierten Verkehre von den daran teilnehmenden Frachtführern und Spediteuren benutzt. Das Finanzamt nahm auf den 1.1.1993 eine Nachfeststellung vor und setzte den Einheitswert für das Erbbaugrundstück fest. Verbunden mit diesem Bescheid setzte das Finanzamt einen GrSt-Messbetrag fest. Die Klage, mit der die Klägerin die Befreiung von der GrSt begehrte, blieb erfolglos[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat verkannt, dass das Grundstück der Klägerin dem öffentlichen Verkehr i.S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG dient. Ein Grundstück dient dem öffentlichen Verkehr, wenn es der Öffentlichkeit zugänglich ist, d.h. wenn das Grundstück ohne Beschränkung auf einen bestimmten, mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehenden Personenkreis benutzt werden kann. Die Anlage der Klägerin kann von jedem am Güterumschlag teilnehmenden Unternehmen benutzt werden; es bestehen keine subjektiven Zulassungsbeschränkungen. Dies reicht zur Bejahung der Öffentlichkeit des Verkehrs aus, selbst wenn der Kreis der Benutzer relativ klein sein sollte.

Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG reicht es, wenn die genannten Verkehrsflächen einen bestimmten Zweck erfüllen; eine besondere Qualifikation der Verkehrsfläche als "öffentliche Sache" im vom öffentlichen Recht geprägten Sinne fordert der Wortlaut nicht[2]. Allerdings hat der Senat bei Grundstücken, die zwar unmittelbar dem öffentlichen Verkehr dienen, bei denen das "Dienen" aber mittelbar einen übergeordneten verkehrsfremden Zweck verfolgt, der auf einem anderen (benachbarten) Grundstück verwirklicht wird, für die Anwendung des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG gefordert, dass das Grundstück durch Widmung und Indienststellung zu einer (rechtlich) öffentlichen Sache geworden sein muss[3]. Es handelte sich in den Streitfällen um Grundstücke, auf denen für Zwecke eines benachbarten Warenhauses bzw. eines anderen Unternehmens ein Parkhaus bzw. ein Parkplatz unterhalten worden ist. Für Verkehrsflächen, Bauwerke und Einrichtungen i.S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG, die unmittelbar und ausschließlich der Erbringung von Verkehrsleistungen dienen, gilt diese Einschränkung jedoch nicht. Diese Grundstücke dienen dem öffentlichen Verkehr i.S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG auch ohne Widmung. An der gegenteiligen Auffassung[4] hält der Senat nicht fest.

Im Streitfall dient das Grundstück der Klägerin, auf dem die Anlage betrieben wird, keinem verkehrsfremde Leistungen erbringenden Unternehmen. Die Anlage dient unmittelbar und ausschließlich den Zwecken eines Unternehmens, das auf ihm Verkehrsleistungen ausführt. Es ist keine Widmung erforderlich, um das Grundstück als dem öffentlichen Verkehr i.S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG dienend zu beurteilen. Für die GrSt-Befreiung gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG ist es unschädlich, wenn sich das "Dienen" im Rahmen einer privatwirtschaftlichen Nutzung mit Gewinnerzielungsabsicht vollzieht.

Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zurückverwiesen, damit das FG Gelegenheit hat, den Umfang der Steuerbefreiung[5] zu bestimmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 25.4.2001 – II R 19/98

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