Grundstücksübertragung auf Kinder unter der Auflage, nachgeborene Geschwister gleichzustellen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil entschieden, dass unter besonderen Umständen eine Grundstücksübertragung unter Geschwistern aufgrund interpolierender Betrachtung von § 3 Nr. 6 und § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei sein kann.
Im Streitfall übertrug ein Vater durch notariellen Vertrag seinen beiden Töchtern zu gleichen Teilen ein Grundstück mit der Auflage, weitere eheliche Kinder, die nach der Übertragung geboren werden, so zu stellen, als ob diese zu den Bedingungen des Kaufvertrags einen Miteigentumsanteil erworben hätten. Die Schwestern hatten also nachgeborene Geschwister so zu stellen, dass alle Kinder einen gleich großen Anteil an dem Grundstück halten. Der Vater behielt sich ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor.
Grundstücksübertragung unter Geschwistern zur Erfüllung der Auflage weder nach § 3 Nr. 2 noch nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei
Die Schwestern übertrugen in Erfüllung der Auflage auf ihren später geborenen Bruder je 1/6 des Gesamtgrundstücks, sodass nunmehr jedes Kind zu 1/3 an dem Grundstück beteiligt war.
Das Finanzamt setzte für die übernommene anteilige Nießbrauchsverpflichtung Grunderwerbsteuer gegen den Bruder fest. Begründet wurde dies wie folgt:
Zwar scheide die unmittelbare Anwendung des § 3 Nr. 2 und des § 3 Nr. 6 GrEStG aus.
Nach § 3 Nr. 2 GrEStG sind u. a. Grundstücksschenkungen unter Lebenden i. S. d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes von der Besteuerung ausgenommen. Hier liege jedoch eine Schenkung unter Auflage vor, die nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Besteuerung hinsichtlich des Wertes der Auflage, die bei der Schenkungsteuer abziehbar ist, unterliege. Die Übertragung der Miteigentumsanteile auf den Bruder sei schenkungsteuerbar. Die übernommene Nießbrauchsverpflichtung sei schenkungsteuerlich abzugsfähig und unterliege damit der Grunderwerbsteuer.
§ 3 Nr. 6 GrEStG ist unter Geschwistern nicht anwendbar, da sie nicht in gerader Linie verwandt sind.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab mit Urteil (FG Düsseldorf, Urteil v. 16.7.2014, 7 K 1201/14 GE, EFG 2014 S. 2075) der Klage des Bruders statt und legte bei der Beurteilung eine interpolierende Betrachtungsweise der Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG zugrunde.
Der BFH hat die von der Verwaltung eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen. Er folgte dabei der Begründung des FG.
Aber: steuerfrei wegen Interpolation (Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften)
Nach der BFH-Rechtsprechung kann sich aus der Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt (vgl. BFH, Urteil v. 24.4.1970, II 109/65, BStBl 1970 II S. 600). Eine solche Interpolation kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich der zu beurteilende Erwerb als abgekürzter Weg darstellt und wenn die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wären sie denn durchgeführt, ebenfalls von der Grunderwerbsteuer befreit wären (vgl. BFH, Urteil v. 20.12.2012, II R 42/10, BFH/NV 2012 S. 1177; BFH, Beschluss v. 11.8.2014, II B 131/13, BFH/NV 2015 S. 5).
§ 3 Nr. 2 GrEStG greift im vorliegenden Fall nicht. Diese Befreiungsnorm setzt voraus, dass zivilrechtlich und schenkungsteuerrechtlich Gegenstand der Schenkung ein Grundstück ist und sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht. Eine Schenkung der Schwestern an ihren Bruder liegt nicht vor. Die Übertragung der Miteigentumsanteile durch die Schwestern erfolgte nicht freigebig, sondern zur Erfüllung der Auflage. Schenkungsteuerrechtlich ist der Vater als Zuwendender i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG anzusehen, weil die Schwestern ihm gegenüber zur Übertragung der Miteigentumsanteile auf den Bruder verpflichtet waren.
Eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt trotz dieser schenkungsteuerrechtlichen Zuwendung des Vaters an den Sohn nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall hat der Vater die Miteigentumsanteile am Grundstück nicht selbst übertragen und war damit nicht an dem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang beteiligt. Der Grundstückserwerb vollzog sich nicht zwischen dem Schenker (Vater) und dem Bedachten (Sohn), sondern zwischen den Töchtern und dem Sohn.
§ 3 Nr. 6 GrEStG ist – wie vom Finanzamt zutreffend festgestellt – unter Geschwistern nicht anwendbar.
Aber:
Grundstücksübertragung unter Geschwistern als abgekürzter Weg der freigebigen Zuwendung eines Elternteils
Die Töchter hätten je ein Sechstel des Grundstücks auf den Vater übertragen können. Anschließend hätte der Vater diese Miteigentumsanteile auf seinen Sohn übertragen. Beide Übertragungen wären nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei gewesen. Die direkte Übertragung von den Schwestern auf den Bruder stellt also einen abgekürzten Weg einer freigebigen Zuwendung des Vaters an den Sohn dar.
Es führt zu einem dem Gesetzeszweck, nämlich die Übertragungen von Grunderwerb zwischen Verwandten in gerade Linie zu begünstigen, widerspre...