Leitsatz

  1. Landwirtsehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, bewirtschaften ihren Hof als Mitunternehmer. Sie haben im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG selbst dann eine Gesellschaftsbilanz vorzulegen, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO handelt.
  2. Haben die Ehegatten unter Verkennung der Mitunternehmerschaft eine Bilanz für ein Einzelunternehmen vorgelegt, so ist die Inanspruchnahme der Reinvestitionsvergünstigung des § 6b EStG in der Mitunternehmerbilanz keine Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG.
 

Sachverhalt

Die Ehegatten leben im Güterstand der Gütergemeinschaft und unterhalten einen buchführungspflichtigen landwirtschaftlichen Betrieb. Im Mai 1994 veräußerten sie eine Teilfläche zwecks Auskiesung an ein Abbauunternehmen. Der Vertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung geschlossen. Im Kaufvertrag erklärten die Parteien, dass für die Ackerkrume 2,30 DM/qm gezahlt werde und für die Bodenbestandteile 10,70 DM/qm. Besitz, Nutzen und Lasten gingen mit der Kaufpreiszahlung am 4.3.1998 über, deren Fälligkeit ebenfalls von der Abgrabungsgenehmigung abhing.

Das Finanzamt ging von einem Erlös aus dem Verkauf der Ackerkrume von 3,10 DM/qm aus und berücksichtigte im Wirtschaftsjahr 1997/98 einen Veräußerungsgewinn von 110787 DM. Den Einspruch der Ehegatten, mit dem hilfsweise beantragt wurde, einen gegebenenfalls entstandenen Veräußerungsgewinn gemäß § 6b EStG erfolgsneutral übertragen zu dürfen, wies das Finanzamt ab. Die anschließende Klage hatte Erfolg. Auf Basis einer tatsächlichen Verständigung über den Bodenwert von 2,70 DM/qm für die Ackerkrume ließ das FG die Bildung einer 6b-Rücklage für den daraus folgenden Gewinn von 53782 DM zu. Dagegen richtet sich die Revision.

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil aufgehoben, die Klage hinsichtlich der Ehefrau wegen des nicht für sie, sondern nur für den Ehemann durchgeführten Vorverfahrens abgewiesen und hinsichtlich des Ehemanns zurückverwiesen, weil insoweit ein Feststellungsbescheid i.S. der §§ 179 Abs. 1 und 180Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO hätte ergehen müssen. Denn schon aufgrund der zwischen den Ehegatten bestehenden Gütergemeinschaft liegt eine Mitunternehmerschaft i.S. des § 13 Abs. 5 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor[1]. Infolgedessen sind die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festzustellen, sofern kein Fall von geringer Bedeutung vorliegt. Dies gilt auch für Gewinne aus Grundstücksverkäufen[2]. Die fehlende Feststellung, ob ein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt, hat das FG deshalb im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Nur wenn dies zu bejahen ist, könnte das zuständige Feststellungsfinanzamt einen Negativbescheid i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 2 AO erlassen und das Wohnsitzfinanzamt die Besteuerungsgrundlagen der Mitunternehmer im Einkommensteuerbescheid erfassen.

Selbst dann müssten die Ehegatten aber eine Gesellschaftsbilanz als Grundlage für die Feststellung des Gewinns vorlegen, in der die 6b-Rücklage berücksichtigt werden kann. Die Bilanzänderungsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. ist hierauf – entgegen der Ansicht des Finanzamts – nicht anzuwenden, da es sich um die erstmalige Aufstellung der Gesellschaftsbilanz handelt und nicht um eine Änderung der bereits vorgelegten Bilanz des Einzelunternehmens.

 

Praxishinweis

Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass kein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt, muss es, auch wenn das Finanzamt die Zuständigkeit zu einer endgültigen Entscheidung zu Unrecht in Anspruch nimmt, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO aussetzen, um den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 18.8.2005, IV R 37/04

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