Leitsatz (amtlich)

Erstellt ein Krankenpfleger im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung für Zwecke der Pflegeversicherung Gutachten zur Feststellung von Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit der Versicherten, ist die Tätigkeit weder als ähnliche heilberufliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG, noch als Leistung des Medizinischen Dienstes nach § 4 Nr. 15 Buchst. a, noch nach § 4 Nr. 16 Buchst. d oder Buchst. e UStG steuerbefreit.

 

Sachverhalt

Der Kläger war längere Zeit als gelernter Krankenpfleger in einer Sozialstation tätig. Weil er diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte, führte er im Streitjahr 1995 für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit aus. Der Kläger hatte keine eigenen Diagnosen zu stellen, sondern - entsprechend dem ihm vom Medizinischen Dienst ausgehändigten Fragebogen - lediglich anhand der vorhandenen Diagnosen zu beurteilen, welche pflegerischen Maßnahmen erforderlich seien und welchen zeitlichen Aufwand diese beanspruchen werden. Als Entgelt erhielt der Kläger 65 DM pro Gutachten, im Streitjahr 46345 DM. USt ist nicht ausgewiesen und auch nicht bezahlt worden. Das Finanzamt unterwarf diese Umsätze dem Regelsteuersatz. Das FG wies die Klage, mit der der Kläger die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG erstrebte, als unbegründet ab[1]. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

  1. 1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Voraussetzung für diese Steuerbefreiung ist stets eine heilberufliche Tätigkeit; andere Umsätze um-fasst die Steuerbefreiung deshalb auch dann nicht, wenn diese durch die Sozialversicherungsträger finanziert werden. Die Beschränkung der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 14 UStG auf Leistungen, die die menschliche Gesundheit betreffen, entspricht Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG. Ob eine Gutachtertätigkeit, deren Kosten von einem Träger der Sozialversicherung erstattet werden, als "heilberufliche Tätigkeit" qualifiziert werden kann, richtet sich nach dem Gegenstand des Gutachtens, d.h. danach, ob es im unmittelbaren Zusammenhang mit einer heilberuflichen Behandlung steht. Deshalb sind auch ärztliche Gutachten nicht - wie der Kläger unter Hinweis auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeit meint - schlechthin von der USt befreit[2].
  2. Bei den Leistungen des Klägers handelt es sich nicht um Umsätze aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 UStG. Der Kläger hatte für den Medizinischen Dienst festzustellen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt[3]. Die Stufen der Pflegeversicherung richten sich nach dem Grad der Einschränkung des Anspruchsberechtigten bei den bezeichneten Verrichtungen, wobei der zeitliche Aufwand für die Grundpflege maßgebend ist. Die im Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durchzuführende Begutachtung[4] betrifft hiernach Art und Umfang der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung; sie um-fasst zwar auch die Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind. Insoweit kann die Begutachtung auch einen Bezug zur Behandlungspflege haben. Jedoch gehörte die Begutachtung eventuell notwendiger Behandlungspflege nicht zum Aufgabenbereich des Klägers.
  3. 2. Auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d und Buchst. e UStG liegen nicht vor. Danach sind u.a. die mit dem Betrieb der Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze befreit, wenn weitere in Buchst. d und Buchst. e bezeichnete Voraussetzungen vorliegen. Die Tätigkeit des Klägers hängt zwar mit der Übernahme der Kosten für die Aufnahme in eine dieser Einrichtungen bzw. für die Kosten der ambulanten Pflege zusammen. Die Befreiung erfasst jedoch nur die Leistungen der in der jeweiligen Bestimmung bezeichneten Einrichtungen selbst. Der Kläger unterhält keine dieser Einrichtungen.
  4. 3. Die Leistungen des Klägers sind auch nicht nach § 4 Nr. 15 Buchst. a UStG steuerbefreit. Die Voraussetzungen dieser Befreiung liegen nach deren Wortlaut nicht vor; denn befreit sind nur die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Medizinischen Dienste selbst. Zwar darf der Medizinische Dienst - wie beispielsweise in § 18 Abs. 6 SGB XI vorgesehen - die gesetzlich vorgesehene Begutachtung auch Personen überlassen, die nicht selbst dem Medizinischen Dienst angehören. Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht, die Befreiung auch auf d...

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