Leitsatz

  1. Ein selbständig tätiger Krankenpfleger kann Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit erzielen, wenn er Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringt. Bedient er sich dabei qualifizierten Personals, setzt eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit voraus, dass er auch selbst gegenüber jedem Patienten pflegerisch tätig wird.
  2. Leistungen der häuslichen Pflegehilfe führen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.
 

Sachverhalt

Der staatlich anerkannte Altenpfleger meldete 1983 ein Gewerbe "Ambulante Altenpflegestation" an, war aber zunächst in der ambulanten Krankenpflege tätig. Grundlage dafür war eine Vereinbarung mit der AOK, nach der er Dienstleistungen zur häuslichen Krankenpflege zu erbringen hatte. Inhalt der häuslichen Krankenpflege sollte die "Behandlungspflege (medizinische Hilfeleistung) auf Verordnung eines Kassenarztes" sein. 1984 erhielt der Altenpfleger die amtsärztliche Erlaubnis, subkutane Injektionen selbst durchzuführen. Mit einem am 1.4.1992 in Kraft getretenen Vertrag nach § 132 Abs. 1 SGB V verpflichtete er sich gegenüber mehreren Krankenkassen zur Durchführung der häuslichen Pflegehilfe gemäß § 55 SGB V (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung). In den Streitjahren betreute der Altenpfleger monatlich bis zu 20 Patienten. Dabei setzte er zwischen drei und acht pflegerische Hilfskräfte ein, die überwiegend als geringfügig Beschäftigte tätig wurden. Das Finanzamt sah die Tätigkeit als gewerblich an und erließ Gewerbesteuermessbescheide, die das FG nach erfolglosem Einspruch aufhob.

 

Entscheidung

  1. Nach Auffassung des BFH war der Altenpfleger nicht einem Heilpraktiker ähnlich (freiberuflich) tätig, weil er nicht diesem entsprechend einer staatlichen Erlaubnis bedurfte und keiner Überwachung durch die Gesundheitsämter unterlag[1]. Ob er einem Krankengymnasten ähnlich tätig war, bedarf laut BFH noch weiterer Aufklärung durch das FG. Dabei geht er davon aus, dass die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege[2] eine Ausübung eines Heilhilfsberufs darstellt, die mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten vergleichbar ist. Denn sie umfasst immer die sog. Behandlungspflege, die als medizinische Hilfeleistung unter Verantwortung eines Arztes auf einer Stufe mit Leistungen anderer Heilhilfsberufe steht. Dagegen bewertet der BFH Leistungen der häuslichen Pflegehilfe[3] nicht als heilhilfsberufliche Tätigkeit, weil sie nur die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung, nicht aber die Behandlungspflege betrifft. Ihr Umfang ist allein von der Vorstellung bestimmt, dass der Pflegebedürftige Hilfeleistungen für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens erhält[4]. Den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf diese Leistungen auszudehnen, ist angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, nur die medizinische Versorgung in den Katalog der Berufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufzunehmen, nur durch den Gesetzgeber möglich.
  2. Hinsichtlich der ausgeübten Behandlungspflege kann allerdings eine krankengymnastenähnliche Tätigkeit nur bei diesem Beruf entsprechender mehrjähriger Ausbildung[5] sowie – bei fehlender staatlicher Anerkennung als Krankenpfleger oder Altenpfleger – bei entsprechender Zulassung als Pflegehelfer oder nach § 124 Abs. 2 SGB V[6] angenommen werden.
  3. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, solange er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dafür reicht es aus, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt, so dass die Leistung den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen trägt[7].
 

Praxishinweis

Auch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG umfasst nur Leistungen der Behandlungspflege, nicht aber die Grundpflege[8].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 22.1.2004, IV R 51/01

[1] Vgl. BFH-Urteil vom 28.8.2003, IV R 69/00, INF 2004, S. 166
[2] Früher § 185 Abs. 1 RVO, jetzt § 37 SGB V
[3] Früher § 55 SGB V, jetzt § 36 SGB XI
[4] Vgl. BT-Drs. 12/5262, S. 94
[6] Vgl. BFH-Urteil vom 28.8.2003, a.a.O. (Fn. 1)
[8] Vgl. EuGH-Urteil vom 10.9.2002, Rs. C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH), BFH/NV 2003, Beilage 1, S. 30; BFH-Urteil vom 19.12.2002, V R 28/00, BStBl II 2003, S. 532 = INF 2003, S. 370

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