Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Bei einem Hochschullehrer ist das häusliche Arbeitszimmer grundsätzlich nicht der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit.
Sachverhalt
K ist als Hochschullehrer an der Universität X angestellt. Sein Familienwohnsitz befindet sich in Y. K machte 1.080 EUR als Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer geltend und begründete dies damit, dass er im häuslichen Arbeitszimmer die Handlungen und Leistungen, die für seinen Beruf wesentlich und prägend seien, ausführe. Sowohl der quantitative als auch der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit lägen dort. Sämtliche Rechtsmittel blieben erfolglos.
Entscheidung
Der Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer ist grundsätzlich ausgeschlossen, jedoch begrenzt auf 1.250 EUR zulässig, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Höchstgrenze greift wiederum nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Weil K in der Universität einen anderen Arbeitsplatz hat, kommt ein Abzug nur in Betracht, wenn das Arbeitszimmer den "Mittelpunkt der gesamten … Betätigung" bildet. Dieses Merkmal ist weder gesetzlich definiert noch geben Gesetzesmaterialien weiteren Aufschluss. Bisher richtete sich der Mittelpunkt danach, ob im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind, also den "(qualitativen) Schwerpunkt" der Betätigung bilden. Entscheidend ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, ob das qualitativ für eine bestimmte Tätigkeit Typische im Arbeitszimmer ausgeübt wird. Das ist bei einem Hochschullehrer nicht der Fall. Das Wesensmäßige der Hochschullehrertätigkeit, nämlich die Lehre, muss in der Universität stattfinden. Wenn die das Berufsbild prägende Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers stattfindet, kann auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers keine Verlagerung des Mittelpunkts bewirken. Diese "Mittelpunkt-Rechtsprechung" gilt auch für die neue Rechtslage.
Kommentar
Praxishinweis
Zu beachten ist die Einschränkung im Urteil, dass die "Mittelpunkt-Rechtsprechung" jedenfalls für die Fälle fortgelten soll, in denen der Steuerpflichtige nur eine einzige berufliche Tätigkeit teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausübt. Damit ist offensichtlich gemeint: Es bleiben neue Lösungsansätze für Konstellationen vorbehalten, in denen ein Steuerpflichtiger mehrere berufliche Tätigkeiten ausübt, z.B. für seine Hauptberufstätigkeit einen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber hat, diesen arbeitgebereigenen Arbeitsplatz aber für eine Nebentätigkeit nicht nutzen darf und deshalb dafür im häuslichen Arbeitszimmer tätig werden muss.
Link zur Entscheidung
BFH, 27.10.2011, VI R 71/10.