Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgeht, kann auch dann den Betätigungsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG bilden, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
Problematik
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind – ungeachtet der ab 1996 grundsätzlich zu beachtenden Abzugsbeschränkung – nach wie vor voll abziehbar, wenn sich dort der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung befindet. In der Praxis gibt es oftmals Streit zwischen den Beteiligten, ob der für den Vollkostenabzug erforderliche Tätigkeitsmittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer tatsächlich gegeben ist.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat klargestellt, dass der uneingeschränkte Kostenabzug nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht voraussetzt, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt "jedweder" oder "einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" bilden muss. Maßgeblich ist nach Auffassung des Gerichts vielmehr die "gesamte betriebliche und berufliche" Betätigung des betreffenden Steuerpflichtigen, sodass sich auch in diesem Sinne eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigungen verbietet. Es gehe darum, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Konsequenzen für die Praxis
Grundsätzlich lassen sich bei Beachtung der Rechtsprechungsgrundsätze folgende Fallgestaltungen unterscheiden:
- Geht der Steuerpflichtige mehreren Erwerbstätigkeiten nach und bilden diese bei allen – jeweils – im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
- Bilden hingegen die außerhäuslichen Tätigkeiten – jeweils – den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten bzw. lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
- Bildet das häusliche Arbeitszimmer schließlich den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch im Hinblick auf die Übrigen, so muss das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 13.10.2003, VI R 27/02, BStBl 2004 II S. 771